Frau Kury, als bekannt wurde, dass die Landes-Kulturförderung für Ihre Akademie Graz um ein Drittel auf 100.000 Euro pro Jahr gekürzt wird, haben Sie öffentlich überlegt, den Betrieb gleich ganz einzustellen. Im Nachhinein eine Überreaktion?
ASTRID KURY: Nein, das ist mir ernst. Macht man Kulturarbeit auf gewissem Niveau, lassen sich die Kosten nicht immer weiter absenken. Ein Drittel unserer Basisförderung weniger entspricht nach der Kürzung fast einem Drittel der Gesamtförderung, das lässt sich nicht durch Projektgelder ersetzen. Diese Kürzung wird an unserer Arbeit vollzogen, das macht ein Zusperren real.

Für viele Kulturveranstalter wären 100.000 Euro enorm viel Geld.
KURY: Das ist mir bewusst. Aber die Akademie Graz hat sich ihre Stellung ja erarbeitet. Unsere Arbeit steht im Dienst der Vernetzung, darin liegt der gute Ruf der Akademie Graz begründet. Man kann von namhaften Künstlern und Referenten nicht erwarten, dass sie gratis kommen. Und ich will nicht ein Sparprogramm auf dem Rücken von Referenten oder Künstlern austragen.

Das Kulturkuratorium, das die Förderentscheidungen trifft, hat die Kürzung mit einem Zuviel an Bildung in Ihrem Programm begründet. Was sagen Sie dazu, dass Bildung für die Kulturförderung zum Ausschließungsgrund wird?
KURY: Da zeichnet sich eine Tendenz ab, immer rigorosere Definitionen von Kultur zu treffen. Was kulturpolitisch natürlich gravierende Folgen hat. Denn aus dem herrschenden Kulturbegriff ergeben sich erhebliche gesellschaftliche Komplikationen: Die Utopien und Visionen, die der Kulturbegriff beschreibt, prägen schließlich die Gesellschaft.

Apropos: Sehen Sie eine kulturpolitische Vision?
KURY: Zumindest wird aus den Kürzungen, die ja nicht nur die Akademie Graz betroffen haben, keine kulturpolitische Strategie sichtbar. Außer, die Kürzungen sind selbst die Strategie. Das wäre sehr bedauerlich, wenn das Ziel für die nächsten Jahre wäre, nicht einmal Bestandssicherung zu gewährleisten, sondern einen Abbau voranzutreiben. Ich sehe im Kulturbetrieb ganz viele Leute mit Engagement und Eigensinn und neuen Ideen. Da wächst etwas. Und wenn etwas wachsen soll, braucht es Unterstützung. Aber es wird schon fast wie ein Naturgesetz gesehen, dass im Kulturbereich gekürzt wird.

Kulturlandesrat Buchmann sagt, er setze auf Internationalisierung und Regionalisierung.
KURY: Die Internationalisierung wird wohl nicht gefördert, wenn etwa die international angesehene Camera Austria Kürzungen hinnehmen muss. Die Regionalisierung wird nicht gefördert, wenn zum Beispiel das Pavelhaus, das hervorragende Arbeit leistet, mit einer Kürzung bedacht wird. Man könnte in solchen Fällen ja auch mit den Betroffenen reden. Die sind durchwegs kooperativ und gesprächsbereit und würden eine Schwerpunktsetzung wohl akzeptieren. Auch das ist ein Zeichen fehlender Vision, wenn man Kulturveranstalter nicht als Partner sieht.

Was, bitte, hätte denn ein Politiker davon?
KURY: Ich finde eines seltsam: Kultur ist auf Landesebene mit dem Wirtschaftsressort verbunden. Aber daraus werden keine Vorteile gezogen. Das wird nicht als identitätsstiftendes Feld gesehen, aus dem sich etwas entwickeln kann. Kultur ist ein lästiges Anhängsel, statt ein Potenzial, das man ausschöpfen könnte. Aus politischer Sicht existiert die Kultur nur am Rande und wird halt von einigen Enthusiasten betrieben. Dabei zeigte sich etwa in den Balkanländern nach dem Krieg, wie wichtig die Kultur für das Gedächtnis und das Selbstbewusstsein einer Gesellschaft ist.

Der Blick nach Südosteuropa hat in der Akademie Graz Tradition. Schon ihr Gründer Emil Breisach hat Grenzen geografisch genauso überschritten wie die zwischen Kultur, Politik, Bildung.
KURY: Deswegen schmerzt es mich auch, dass sein Erbe ein halbes Jahr nach seinem Tod so beschädigt wird. Er hat einen erweiterten Kulturbegriff mitgetragen und entwickelt, der bis heute gesellschaftspolitisch elementar ist. Wir hatten unlängst einen Schwerpunkt zum Kosovo und dessen Nationalismus. Der dient dort einerseits als Treibmittel zur Staatsgründung, andererseits ist der Nationalismus in ganz Europa auf unheimliche Weise am Erstarken. Vor diesem Hintergrund trifft der Vorwurf des "Bildungsprogramms" bis ins Mark. Die Bildung, um die es uns geht, ist ja keine Ausbildung, mit der man ein Zertifikat erhält. Unser Bildungsanteil umfasst eigentlich die gesellschaftspolitische Reflexion, das Fassen und Vermitteln dessen, was Kunst versucht.

Die Unterscheidung zwischen Bildung und Ausbildung wird ja kaum noch getroffen.
KURY: Das hängt mit dem Primat des Ökonomischen zusammen. Es geht, wie Konrad Paul Liessmann sagt, in der Bildung nur noch um Kompetenz. Und die Kultur ist für die Kreativität zuständig. Das ist eine dramatische Verengung. Eine zweckorientierte Haltung, die den kritischen Geist aus allem herausnimmt. Dieses trennende Denken ist völlig von gestern, eine bedrohliche Engführung. Die gegenwärtige Herausforderung ist es, Dinge neu und anders zusammen zu denken, und nicht, alte Grenzzäune wieder aufzustellen.

Werden Sie sich nun dieser Herausforderung weiter stellen?
KURY: Bis Jahresende werden wir wissen, ob es für die Akademie Graz eine Zukunft gibt. Dann werden wir sehen, ob es weitergeht oder ob wir ein fulminantes Schlussjahr machen. Das würde auf jeden Fall der Würde der Akademie Graz mehr entsprechen als der langsame Kürzungstod.