Ist die „Ouverture spirituelle“, mit der die Salzburger Festspiele am 18. Juli beginnen, das einzige Überbleibsel der Pläne von Ex-Intendant Alexander Pereira?
HELGA RABL-STADLER: Nein, aus seiner Zeit stammen die Opernproduktionen „Norma“, „Der Rosenkavalier“ und „Il trovatore“. Wolfgang Rihms „Eroberung von Mexico“ haben wir angesetzt, weil leider Pereiras wunderschöner Plan, György Kurtág zu seiner ersten Oper zu verführen, noch nicht ganz aufgegangen ist. Aber wir haben die Hoffnung noch nicht aufgegeben.

Ist nicht für 2016 die Uraufführung der neuen Oper „Exterminating Angel“ von Thomas Adès nach dem Film „Der Würgeengel“ von Luis Buñuel vorgesehen?
RABL-STADLER: Ja, wir werden sehen, wie das geht. Wenn Kurtág doch möchte, weil ja nächstes Jahr sein 90. Geburtstag ist, dann wäre das schön.

Wie lange ist die „Ouverture spirituelle“ Ihrer Meinung nach denn noch aufrechtzuerhalten? Das Konzept, Musik des Christentums mit der einer anderen Weltreligion zu konfrontieren, ist ja bald ausgeschöpft?
RABL-STADLER: Wir werden vom Prinzip der Gegenüberstellung von zwei Weltregionen abgehen, aber beim nachsinnenden Beginn mit geistlicher Musik bleiben. Da hat der designierte Intendant Markus Hinterhäuser bereits einige sehr schöne Ideen.

Während Alexander Pereira nur neue Opernproduktionen angesetzt hat, stehen heuer drei Premieren vier Wiederaufnahmen gegenüber. Wie hat das Publikum im Vorverkauf darauf reagiert?
RABL-STADLER: Als erste Produktionen ausverkauft waren „Fidelio“, „Norma“ und „Il trovatore“ – also nur eine Neuinszenierung. Ich war immer für Wiederaufnahmen, die es in der über neunzigjährigen Geschichte der Festspiele, abgesehen von den drei Jahren der Intendanz von Alexander Pereira, immer gegeben hat. Aber Pereiras Prinzip und sein Furor waren durchaus einen Versuch wert. Seine Überlegung, nur für Neuproduktionen Sponsoren gewinnen zu können, war richtig, aber die Beiträge der Sponsoren decken nur die Sach-, nicht aber die Personalkosten. Daher war jede Oper ein Defizit und durch die vielen Neuproduktionen sind auch alle Reserven verbraucht worden.

Wie hoch sind die Einsparungen bei Wiederaufnahmen?
RABL-STADLER: Das kann man sehr schwer sagen, denn bei einem so personalintensiven Stück wie dem „Rosenkavalier“ sind die Einsparungen geringer als bei einer Mozart-Oper. Aber Wiederaufnahmen sind generell eine deutliche Einsparung, die ich ökonomisch und künstlerisch sinnvoll finde.

Ist der Beitrag der Sponsoren zum Budget gleich hoch geblieben wie im Vorjahr?
RABL-STADLER: Im Vorjahr hat sich noch ausgewirkt, dass Pereira und ich die kulturellen Europameister im Sponsoring sind. 2014 waren es elf Millionen, heuer sind es neun Millionen Euro. Auch das ist schön – und im Vergleich mehr als alle Bundestheater zusammen haben.

Ist die nach Pereiras Abgang gewährte Subventionserhöhung mehr als ein Tropfen auf dem heißen Stein?
RABL-STADLER: Erfreulicherweise hat mir Kunstminister Ostermayer gesagt, dass wir für die nächsten drei Jahre mit dieser Subventionserhöhung rechnen können. Damit kommen wir heuer von 13,5 auf 16 Millionen. Von diesen 2,5 Millionen Euro entfällt eine Million auf den Bund, der 40 Prozent unseres Defizits zahlt. Bis 2014 haben wir ja die Kosten mit den Subventionen in der Höhe von 1998 gestemmt. Aber 2018 stehen wir wieder vor der Problematik, dass wir zu wenig Geld haben, denn in einem Betrieb, in dem 80 Prozent der Ausgaben Personalkosten sind, fressen die Gehaltssteigerungen diese Erhöhung auf.

Wurde die Zahl der Eintrittskarten gegenüber dem Vorjahr deutlich reduziert?
RABL-STADLER: Die Zahl der Karten ist, vor allem wegen des Wegfalls des Young Directors Project, um 11.000 auf 225.000 Karten gesunken. Wir haben die Zahl der Festspielstätten von 16 auf 14 reduziert, verzichten auf den Residenzhof, der eine ebenso schöne wie kostspielige Spielstätte ist.

Wie wird sich die Erhöhung der Mehrwertsteuer für Festspielkarten um drei Prozent auswirken?
RABL-STADLER: Das neue Gesetz soll erst mit 1. Mai 2016 in Kraft treten – da haben wir wohl bereits achtzig Prozent unserer Karten für den Sommer verkauft. Aber auch nach diesem Stichtag möchten wir die Erhöhung nicht auf unser Publikum überwälzen. Wir haben ursprünglich mit 750.00 Euro gerechnet, jetzt wird uns die Erhöhung rund 200.000 Euro kosten, und die wollen wir selber schlucken, weil wir glauben, dass wir 2016 ein besonders anspruchsvolles Programm haben, und da ist es sicher gut, wenn wir die Menschen nicht durch angehobene Preise verschrecken.

Gibt es eigentlich noch Chancen, Anna Netrebko im „Troubadour“ oder Jonas Kaufmann im „Fidelio“ erleben zu können?
RABL-STADLER: Es zahlt sich immer aus, nachzufragen oder ins Internet zu schauen, weil immer wieder Karten im letzten Augenblick zurückkommen.

Muss die Präsidentin mehr Aufgaben übernehmen, wenn der künstlerische Leiter durch Regiearbeiten zusätzlich belastet ist?
RABL-STADLER: Sven-Eric Bechtolf nützt Probenpausen, um die Geschäfte des Intendanten zu erledigen. Und weil er nicht davon spricht: Er macht zwei Inszenierungen, Mozarts „Nozze di Figaro“ und die „Salzburger Dreigroschenoper“ sowie den Sprecher in der konzertanten „Dreigroschenoper“ zum Nulltarif – er spart uns also sehr viel Geld.

Den umfangreichen Konzertteil hat der künstlerische Leiter wohl auf die zweite Ebene ausgelagert?
RABL-STADLER: Wir können das nur machen, weil wir eine hervorragend funktionierende zweite Ebene haben und wir sind sehr glücklich über Florian Wiegand als Konzertreferent. Es freut mich, dass Markus Hinterhäuser mit ihm weiterarbeiten will.

Helga Rabl-Stadler mit Markus Hinterhäuser, dessen erstes Jahr 2017 sie noch begleiten will. Aber
Helga Rabl-Stadler mit Markus Hinterhäuser, dessen erstes Jahr 2017 sie noch begleiten will. Aber "dann gehe ich endgültig" © APA/NEUMAYR

Am Ende der Ära von Gérard Mortier haben Sie die Devise ausgegeben: „Zehn Jahre sind genug!“ Gilt diese Feststellung für die seit zwanzig Jahren amtierende Präsidentin nicht?
RABL-STADLER: Ich bin der festen Überzeugung, dass beim künstlerischen Leiter zehn Jahre genug sind und fünf Jahre zu wenig, weil man in fünf Jahren noch nicht wirklich einen Betrieb auf seine eigenen Vorstellungen umgepolt haben kann. Aber nach zehn Jahren ist es auch wieder schön, eine andere Handschrift zu sehen. Die Funktion des Präsidenten ist die der Kontinuität. Ich hätte sicher 2014 aufgehört, wenn nicht Alexander Pereira vorzeitig gegangen wäre und hätte es für unverantwortlich gehalten, dass die Festspiele kopflos werden, weil wir beide gleichzeitig gehen. Ich werde sehr gerne noch 2017 das erste Jahr mit Markus Hinterhäuser machen, aber dann gehe ich endgültig. Und ich halte es für ein besonderes Glück, dass ich meine letzten Berufsjahre mit zwei Freunden mache.

INTERVIEW:
ERNST NAREDI-RAINER