Am Montag also geht es los, da fällt am Altausseer See die erste Klappe. Erwarten darf man, dass Bond, James Bond alsbald in klassischer Manier zur Sache geht, denn laut jenem „Spectre“-Skript, das Hacker Mitte Dezember geleakt haben, trifft 007 (Daniel Craig) unter Österreichs winterweißen Bergesgipfeln auf Madeleine Swann (Léa Seydoux), Tochter des Verbrechers Mr. White aus „Casino Royale“ – eine Begegnung, die alles andere als frostig verläuft.

Noch bevor in Eis und Schnee die erotischen Funken fliegen, hat man es rund um den See schon tüchtig krachen lassen: Lawinen wurden gesprengt, weil die 300-köpfige Crew ab heute das Filmset vorbereitet; dazu sollen Sperrzonen und ein Flugverbot über der Region dem Filmteam Sicherheit und Diskretion gewährleisten. Kein leichtes Unterfangen bei Produktionsabläufen, die einem Staatsakt gleichen. Denn wo immer der Bond-Tross haltmacht, ist die mediale Aufregung enorm. Schließlich ist die Serie längst weit größer als die Summe ihrer demnächst 24 Teile. Der exorbitante finanzielle Aufwand („Spectre“ soll 300 Millionen Euro kosten), die spektakulären Drehorte, die überdrehten Special Effects, die Superfrauen und Superschurken: Bond bietet von alledem verlässlich stets die Spur zu viel. Alles das hätte längst für Übersättigung sorgen müssen, trägt aber vielmehr zur Überhöhung des Mythos bei.

Dabei ist die Formel, nach der der Superspion agiert, beachtlich schlicht. Schon 1966 hat etwa Umberto Eco mit seiner Schrift „Il Caso Bond“ („Der Fall Bond“) folgende ironische „Erzählgrammatik“ zu Ian Flemings Romanen entwickelt: Bond nimmt von M einen Auftrag entgegen. Begegnung mit dem Bösewicht. Bond trifft und verführt eine Frau. Er wird vom Schurken gefangen und gefoltert, entkommt und besiegt das Böse. Am Ende gibt’s ein Feier- bzw. Schäferstündchen.

Bonds Evolution

Weit abgewichen ist von diesem Muster noch kein Bond. Was auf den ersten Blick zu bestätigen scheint, dass das Publikum am liebsten hat, was es schon kennt. Ganz so einfach ist der Fall aber nicht, denn in den Filmen von „007 jagt Dr. No“ (1962) bis „Skyfall“ (2012) vollzog sich auch eine gewaltige Evolution der Figur: Anfangs war Bond, von Ex-Boxer Sean Connery überzeugend verkörpert, noch ein Haudrauf und grobschlächtiger Aufreißer – gemäß der Intention seines Erfinders Ian Fleming, der mit dem Spion eine „extrem dumpfe, uninteressante Figur“ kreieren wollte, „ein stumpfes Instrument in den Händen seiner Regierung“.

Im Kino wandelte sich der Agent mit der Lizenz zum Töten bald zum mehr (Roger Moore, Pierce Brosnan) oder minder (Timothy Dalton) glaubhaften Lebemann und Kenner von Jahrgangschampagner und schönen Frauen. Mittlerweile aber ist die Legende vom überlegenen Megamacho auserzählt, der Bond der Gegenwart ein komplexer Charakter mit überraschenden Brüchen: In „Casino Royale“, „Ein Quantum Trost“, „Skyfall“ sah man Daniel Craig zuletzt als amtsmüden, rachsüchtigen, traumatisierten Agenten am Rande physischer und psychischer Belastbarkeit.

Dahin also hat das Zeitgefühl den Superspion in 50 Jahren transportiert: Trug Bond in den Schwarz-Weiß-Schlachten des Kalten Krieges und den Weltverschwörungsscharmützeln der Nachwendezeit noch stets souverän den Sieg davon, funktioniert er nun als Identifikationsschablone für das überforderte Individuum. Nach wie vor kämpft hier einer allein gegen die Übermacht, aber der Sieg ist ihm nicht mehr sicher. Und wenn er gelingt, ist er, wie zuletzt in „Skyfall“, keineswegs eindeutig. Gut und Böse, Sieg und Niederlage verschwimmen. Bei Fleming war das anders. Aber vermutlich wird Bond erst durch solche Wandlungen zur ganz heutigen Figur.

UTE BAUMHACKL