Sie zog Neugierige an, die Sondersitzung des Lienzer Gemeinderates, veranlasst durch die ÖVP-Fraktion. An die 70 Kiebitze drängten sich auf den Emporen und im Sitzungssaal, darunter auch Franz Theurl, Obmann des Tourismusverbandes, Josef Schett, Verbandsvorstand, Werner Frömel, Aufsichtsratsvorsitzender im Tourismusverband und Pepi Kreuzer, Verfechter des Hochsteinausbaus. Und dann kamen sie auf den Tisch, die Zahlen und Fakten über die finanzielle Lage der Lienzer Bergbahnen und des Hochsteins. Die Vertreter des Tourismusverbandes, der Hauptaktionär der Lienzer Bergbahnen ist, waren zum Schweigen verdonnert, während sich Bürgermeisterin Elisabeth Blanik als Vertreterin der Minderheitsaktionärin Stadt in Szene setzte. 

Thomas Diemling, Aufsichtsratsvorsitzender der Bergbahnen AG, sowie Vorstand Klaus Hofstätter präsentierten ungeschminkte Details: 2014/15 betrug die Betriebsleistung am Lienzer Zettersfeld 3,3 Millionen Euro, am Hochstein 1,5 Millionen Euro. Der Cashflow am Zettersfeld lag bei 751.000 Euro, am Hochstein bei  Minus 327.000 Euro. Das Zettersfeld schrieb 105.000 Euro Verlust, der Hochstein eine Million.

553.000 Euro brachte der Winter in diesem Bilanzjahr am Hochstein an Betriebsleistungung, der Sommer 928.000 Euro. Der Cashflow im Winter: Minus 533.000 Euro. "Wenn die Zeiten enger werden und Schließungsszenarien andeuten, muss man über den Cashflow reden und wenn ich negativen Cashflow habe, muss ich zusperren", sagte Diemling. Das sei die kaufmännische Seite. Denn da schwebe auch das Damoklesschwert fahrlässiger Krida über den Verantwortlichen.

Und so sieht die vorläufige Gewinn- und Verlustrechnung der Lienzer Bergbahnen für 2015/16 aus
Und so sieht die vorläufige Gewinn- und Verlustrechnung der Lienzer Bergbahnen für 2015/16 aus © Expa/Groder

Die Szenarien für die Zukunft  der Bergbahnen, die bisher nicht vollständig aus dem Aufsichtsrat durchsickerten, legte Hofstätter vor.

Szenario 1: Einstellung des Winterbetriebs am Hochstein (keine Beschneiung, keine Präparierung, kein Weltcup) und damit Verbesserung des Cashflow um 500.000 Euro.

Sezenario 2: Verlustabdeckung von 500.000 Euro pro Jahr durch die Eigentümer, was aber nur der Erhaltung des derzeitigen Zustandes dient.

Szenario 3: "Weiterwurschteln" durch Finanzierung des negativen Cashflows am Zettersfeld und am Hochstein. In sieben Jahren ist damit das Eigenkapital der Bergbahnen aufgebraucht.

Szenario 4: Ein Investor übernimmt die Schulden der Bergbahnen  von 2,5 Millionen Euro und den "Schwarzen Peter" für die Schließung des Hochsteins.

Da gingen Mandataren wie Zuhörern die Augen auf und die Gesichter wurden lang.

Bürgermeisterin Elisabeth Blanik drückte den Antrag der SPÖ mit Grün und LSL durch, für einen Prozess, den  ÖVPler als Todesstoß für den Hochstein bezeichnen
Bürgermeisterin Elisabeth Blanik drückte den Antrag der SPÖ mit Grün und LSL durch, für einen Prozess, den ÖVPler als Todesstoß für den Hochstein bezeichnen © (c) EXPA/ Johann Groder

Keine Zukunftsoption für den Hochstein ist laut Vorstand und Aufsichtsrat der Vollausbau des Hochsteins für den Winter, weil das keine große Verbesserung für den Cashflow bringe, hingegen aber eine Kannibalisierung zwischen den beiden Lienzer Skigebieten. Hofstätter: "Und das wäre betriebswirtschaftlicher Selbstmord".

Nur allein der Liftausbau ohne Pisten würde fast 30 Millionen Euro kosten.

Ebenso keine Option seien Zusatzinvestitionen in den Winterbetrieb oder Preisreduktion für Karten, was keine Einnahmensteigerung bedeute.

Die zwei Alternativen, die zur Rettung des Hochsteins vorliegen, wurden ebenso mit nüchterner Begleitmusik definiert. Hofstätter: "Die Pacht des Hochsteins durch eine Betreibergesellschaft bedeutet 500.000 Euro Einnahmen bei einer Million laufende Kosten im Winter auf eigene Rechnung und eigenes Personal.  Und ein Abspalten in eine GmbH ist nur dann machbar, wenn die Hausaufgaben gemacht werden, das heißt Klärung des Winterbetriebes am Hochstein und Verlustabdeckung".

Die Zukunft der Bergbahnen sieht die Führung der Aktiengesellschaft so: Ausbau des Sommerbetriebes am Hochstein und Erhaltung des Zettersfeldes, wo wegen nicht mehr moderner Anlagen aber etwas passieren müsse.

Frequenzzahlen brachten ans Licht, dass der Hochstein doch nicht der vielgepriesene Skiberg der Lienzer ist. 75 Prozent der Lienzer Sportpassbesitzer fahren am Zettersfeld, 25 Prozent am Hochstein. Saisonkartenbesitzer sind zu 82 Prozent am Zetterfeld und zu 18 Prozent am Hochstein unterwegs. Urlauber halten sich zu 90 Prozent am Zettersfeld und zu 10 Prozent am Hochstein auf.

Die vorgelegten Fakten sorgten für einige Irritationen und unter der Mandataren war Hilflosigkeit spürbar, was jetzt Auswege betrifft. Zwischen kaufmännischen Tatsachen und politischen Interessen gibt es eine tiefe Kluft. Josef Blasisker (FPÖ) war überzeugt: "Stadt und Tourismusverband stemmen das nicht mehr".

Die Diskussionen brachten keine konkreten Ideen und Visionen, wie man dem Dilemma entkommen könnte. Die SPÖ brachte einen Abänderungsantrag zur Tagesordnung ein. Ein Entwicklungsprozess mit Bürgerbeteiligung für den Fortbestand der Lienzer Bergbahnen soll eingeleitet werden. Im Vordergrund steht dabei der Hochstein, den betroffene Bürger und Unternehmer mit Moderation aufpeppen sollen.

Bei der ÖVP kam Bürgermeisterin Elisabeth Blanik damit nicht an. Gemeinderat Christian Steininger sagte: "Das ist kein objektiver Lösungsansatz, wenn Private die Aufgaben der öffentlichen Hand übernehmen müssen". Als Steininger als Obmann des Ausschusses Standortentwicklung der Bürgermeisterin vorwarf, Aufgaben abzuschieben, schlug diese zurück: "In der Tiroler Gemeindeordnung ist nachzulesen, welche Aufgaben der Gemeinderat hat, falls ihr das noch nicht wissen solltet". Aus Sicht der ÖVP war der Antrag der Todesstoß für den Winterbetrieb durch Blanik. Die Bürgerbeteiligung soll nicht Szenarien entwickeln, sondern ihre Entscheidung zur Schließung des Hochsteins rechtfertigen. Es war durchzuhören, dass die Entscheidung zur Schließung im Winter bereits getroffen wurde.

Immer wieder kamen  von der Bürgermeisterin auch schwere Seitenhiebe gegen die ÖVP, die mit dem Bau der Seilbahn und des Osttirodlers für überzogene Investitionen am Hochstein gesorgt habe. "Wir, die SPÖ, haben damals dagegen gestimmt", rieb sie der Opposition unter die Nase.

Mit zwölf Stimmen ging der SPÖ-Antrag für den Entwicklungsprozess durch. Die ÖVP stimmte dagegen, die FPÖ enthielt sich der Stimme.

Vizebürgermeister Kurt Steiner (ÖVP) war zufrieden mit dem Akt seiner Fraktion für einen Sondergemeinderat: "Jetzt sind alle informiert".

Am Tag danach sagte Theurl: „Die öffentliche Abhandlung der Lienzer Bergbahnen ist höchst kreditschädigend. Das Unternehmen hat insgesamt einen positiven Cashflow, 82 Prozent Eigenkapital bei einer Bilanzsumme von rund 13 Millionen Euro und volle Liquidität, das alles hätte man auch öffentlich festhalten sollen.“

Ansonsten findet es Theurl positiv, dass sich die Stadt mit der Entwicklung des Hochsteins befassen will. Die Arbeit des Stadtmarketings sei mit dem Ergebnis von Expertisen und Studien, die der Tourismusverband in Auftrag gegeben hat, zusammenzuführen. Dass am Hochstein Handlungsbedarf gegeben ist, um nicht das gesamte Unternehmen Lienzer Bergbahnen zu gefährden und für eine Weiterentwicklung fit zu machen,  steht für den Tourismusverbandsobmann außer Frage.