In Ihrer dokumentarischen Inszenierung "Nicht sehen" erzählen Sie vom System Wurst, von den Opfern, von Gleichgültigkeit und dem Wegsehen. Wie kann man sich das Stück vorstellen?
NOAM BRUSILOVSKY: Es sind 18 Personen auf der Bühne, darunter zwei Schauspieler, die übernehmen mehrere Figuren. Sie haben Texte sowohl von Opfern als auch zum Beispiel von einem Richter, der am Prozess beteiligt war. Es geht stark darum: Wie berichtet man von etwas, das man kaum in Worte fassen kann. Wir haben vor zwei Wochen ein Opfer getroffen, das hat massive Gewalt auf eine Art erlebt, die man sich nicht vorstellen kann. Es hat sein ganzes Leben geprägt. Im Gespräch haben wir gefragt: "Wenn Sie das Stück inszenieren würden, wie würden Sie es auf die Bühne bringen?" Und da hat er gesagt: "Man braucht eine Arztpraxis, der Arzt sitzt auf der Bühne, ein fünfjähriges Kind kommt herein und der Arzt begeht dann sexuellen Missbrauch an diesem Kind." Das können wir aber nicht so auf die Bühne bringen. Wie erzählt man also eine Geschichte, obwohl es keine adäquaten Bilder dafür gibt?