Dass er ein Messer oder einen Schlagring mit sich führe, sei für den 19-jährigen Iraker nichts Außergewöhnliches. Er habe diese Gegenstände zur Verteidigung bei sich. So auch Anfang Juni des Vorjahres, als er mit einem Freund mit dem Zug von Wien nach Klagenfurt gefahren war. "Wir wollten hier ein Auto kaufen und Urlaub machen; etwas chillen", sagte der Angeklagte gestern bei seinem Prozess am Landesgericht Klagenfurt aus. Die Staatsanwaltschaft legte dem Mann absichtliche, schwere Körperverletzung zur Last. Die Polizei hatte zunächst einen Mordversuch vermutet.

Doch diese angebliche Vergnügungsfahrt nahm ein blutiges Ende. Er befand sich just in jener Stadt, in der ein irakischer TikToker (53) lebt, der sich auf dieser Plattform islamkritisch äußert. "Er hat über die Religion und über den Glauben geschimpft", antwortete der Angeklagte auf die Frage der Richterin, was ihn denn in den Videos gestört habe. Da das spätere Opfer an jenem besagten 7. Juni auf TikTok war, habe der 19-Jährige ihm folgen können. An besagtem Tag soll dieser auch wieder über den Glauben geschimpft haben. Laut dem Angeklagten soll es auf offener Straße zu einem Aufeinandertreffen mit dem TikToker gekommen sein. "Er hat mir ins Gesicht gespuckt", so der junge Iraker, der sich provoziert gefühlt hatte.

Angriff von hinten

Er suchte in der Folge das Mehrparteienhaus auf, in dem der 53-Jährige lebt. Als dieser dabei war, die Haustüre aufzusperren, wurde er von hinten vom 19-Jährigen mit einem Klappmesser angegriffen. Der Ablauf der Tat wurde von einer Überwachungskamera aufgezeichnet. Es ist zu sehen, wie der 19-Jährige mit einem sogenannten Okapi-Messer zweimal im Bereich der rechten Schulter mit dem Messer zusticht und dann wegläuft. Die Schnitte hätten eine Tiefe von einem bzw. zwei Zentimetern gehabt. Mithilfe des Schlagrings, den er auf seiner Flucht verloren hatte, konnte er schließlich vier Monate später überführt werden. Die Tatwaffe habe er in einen Kanal geworfen. Während der Ermittlungen habe die Polizei eine Auftragstat vermutet. Das wies er Angeklagte allerdings zurück.

"Ich wollte ihm nur einen Denkzettel verpassen, ihn nur ein bisschen verletzen", sagte der Angeklagte. Er beteuerte während des Prozesses: "Ich war ein dummer Junge." Sein Verteidiger legte TikTok-Auszüge vor. Auf diesen sei zu sehen, wie der 53-Jährige mit einem Turnschuh auf Bilder von Glaubenslehrern einschlägt. Er drücke damit seine Meinung aus, sagte er vor Gericht aus, er schlage keine Menschen. Diese Messerattacke sei auch nicht die erste gewesen.

Heimtückisches Vorgehen

Nach der Beratung der Schöffen verlas die Richterin das Urteil: drei Jahre Haft. Gutachten sowie das Video hätten gezeigt, dass der Täter so agiert habe, dass in der Regel Lebensgefahr bestehe. Die Richterin strich zudem die Heimtücke des Überfalls hervor sowie den "religiös-extremistischen Beweggrund" und dass das Geständnis nicht reumütig genug war. Es stelle auch einen "extrem hohen sozialen Störwert" dar, wenn man mit Waffen von Wien nach Klagenfurt fährt und einen Menschen angreift. Milderungsgründe waren seine Unbescholtenheit, sein Alter und dass es bei einem Versuch geblieben ist. Das Opfer sei nur leicht verletzt worden. Diesem habe der Angeklagte bereits 1000 Euro Schmerzensgeld bezahlt.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Der Verteidiger des Angeklagten meldete Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung an. Letzteres meldete auch der Staatsanwalt an.