Eine Frage wollte der 32-jährige Angeklagte am Montag am Landesgericht in Klagenfurt nicht beantworten. „Sie sind selbst Vater von fünf Kindern. Wie geht es einem dabei, wenn man andere Eltern abzockt und mit deren Angst agiert?“, wollte Richter Christian Liebhauser-Karl wissen. Doch dazu wollte der Pole nichts sagen, ließ er eine Dolmetscherin übersetzen. Auch sonst sagte er wenig. Er bekenne sich schuldig. „Ich habe genau gewusst, wie ich handle und was passiert“, sagte er.

Was war passiert? „Mama, Mama!“ – diese wehklagenden Worte hörte eine 67-jährige Kärntnerin im September am anderen Ende der Leitung, als sie genau an ihrem Geburtstag das Telefon abhob. Es meldete sich eine „Frau Inspektor Müller“, die ihr erklärte, ihre Tochter sei in einen Autounfall verwickelt gewesen. Der andere Lenker starb dabei, ein Kind liege im Krankenhaus. „Aber ich habe gleich gewusst, dass das nicht stimmt“, erzählt die 67-Jährige dem Schöffengericht am Montag. „Meine Tochter klingt anders. Und außerdem liest man ja immer wieder von solchen Anrufen. Ich habe schon im Vorfeld den Beschluss gefasst, bei dem Spiel mitzumachen, damit der Täter geschnappt werden kann.“ Seither trägt sie in ihrer Familie den Spitznamen „Mama Sherlock“.

62.000 Euro Kaution

„Nicht läuten. Leise rein kommen“, schrieb sie schnell auf einen Zettel, den sie an ihre Tür hängte. „Ich wusste, meine Tochter kommt gleich nach Hause. Sie sollte dann die Polizei rufen.“ Und nun begann die 67-Jähre damit, Zeit zu schinden. 62.000 Euro Kaution sollte sie bezahlen, um ihre vermeintliche Tochter vor dem Gefängnis zu bewahren. Als sie „Frau Inspektor Müller“ aber sagte, sie habe nicht so viel Bargeld, fragte diese nach Goldmünzen. „Ich habe mit ein paar alten Schilling-Münzen herumgeklimpert“, erinnert sich die Kärntnerin. Danach zählte sie die Jahreszahlen der vermeintlichen „Philharmoniker-Münzen“ auf. „Ich habe bei meinem Hochzeitsjahr angefangen, 75, 76, 77. Bei 82 hab ich gesagt: ,Mah, der ist nicht da, den muss ich wohl verkauft haben‘.“

Als das der Anruferin noch nicht genug war, sammelte die 67-Jährige noch Modeschmuck zusammen und legte diesen auf die Küchenwaage. Inzwischen war ihre Tochter nach Hause gekommen, erkannte sofort die Lage und ging nach draußen, um die Polizei zu verständigen. Die Anruferin gab sich irgendwann zufrieden mit den gesammelten Wertgegenständen, welche die Kärntnerin in eine Schachtel packen sollte. Diese werde bei ihr von einem Polizisten namens „Bacher“ abgeholt.

Die Schachtel füllte die Kärntnerin mit einer Kerze, wertlosen Münzen, einer Schüssel und einem Blumenuntersetzer 
Die Schachtel füllte die Kärntnerin mit einer Kerze, wertlosen Münzen, einer Schüssel und einem Blumenuntersetzer  © Markus Traussnig

Nach kurzer Zeit und ein paar Problemen, die richtige Adresse zu finden, stand der Angeklagte als „Herr Bacher“ vor der Pensionistin. Ausweisen konnte er sich nicht, aber da meldete sich „Inspektor Müller“ wieder bzw. ein „Staatsanwalt“. „Der sagte sehr fordernd, ich soll die Box sofort Herrn Bacher geben.“ Wenige Augenblicke danach traf die Polizei ein und nahm den 32-Jährigen fest.

„Wollte etwas verdienen“

Zwischen 800 und 1000 Euro wurden dem Polen für die Abholung der Schachtel versprochen. „Mein Ziel war es nur, etwas zu verdienen“, sagte der Familienvater, der bisher noch keiner geregelten Beschäftigung nachgegangen war und von Gelegenheitsjobs lebt, vor Gericht.

Nach nur vier Minuten Beratungszeit kehrten Richter und Schöffen aus dem Beratungsraum zurück. Der Angeklagte wurde schuldig gesprochen und erhielt eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren, wobei ihm die knapp vier Monate in Untersuchungshaft angerechnet wurden. Zudem trägt er die Kosten des Verfahrens. „Mildernd wirkte sich das Geständnis aus“, sagte Liebhauser-Karl. „Aber der Schöffensenat hat sich schwergetan, zu verstehen, dass man als fünffacher Vater bei derartigen Betrügereien mitmacht.“ Zudem ist der 32-Jährige einschlägig in Deutschland vorbestraft und war bereits wegen eines „Enkeltrickdiebstahls“ zu zwei Jahren und drei Monaten verurteilt worden.

Der Anwalt des Angeklagten gab an, in Berufung zu gehen. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.