Es klingt so einfach – und für die meisten unvorstellbar, wenn Schwester (Sr.) Maria Immaculata (66) es erzählt: „Die Initiative kam von Gott. Ich musste nur Ja sagen.“ Mit 60 Jahren, im März 2017, wenn andere in die Pension starten, hat Gerlinde Maria Bammer, wie sie mit bürgerlichem Namen heißt, Ja gesagt: Zu einem Leben als Ordensfrau im Karmel Himmelau in St. Michael (Wolfsberg). Das Ja bedeutete – nach mehreren Stationen des Kennenlernens von karmelitischer Spiritualität – einen radikalen Schnitt: Denn Bammer ist verwitwet, sie ist dreifache Mutter und sechsfache Oma, hat diese Aufgaben geliebt. Am 1. Oktober dieses Jahres die Bindung auf Ewigkeit an den Orden: Sie legte ihre „Ewige Profess“ ab.

Ohne Außenkontakte

Wie es erklärbar ist, die Familie hinter sich zu lassen und ein von der Außenwelt abgeschiedenes Leben in Gehorsam, Armut, Keuschheit hinter Klostermauern zu leben, die meiste Zeit für sich allein im Gebet? Um 5.20 Uhr beginnt der Tag, in Summe sind es sieben Stunden mit (Chor-)Gebeten, Gottesdienst, viel Schweigen. Viel Arbeit kommt dazu: Die 13 Schwestern im Karmel erledigen alle Hausarbeiten selbst, betreuen die zwei Hektar großen Flächen mit Obstbäumen, Gemüse- und Blumenbeeten, bauen Kartoffeln an, betreiben mit drei Kühen Milchwirtschaft, haben Hühner. Zwei Schwestern pflegen die Außenkontakte, die anderen verlassen den Karmel nur für Arzt- oder Behördenbesuche, Wahlen. Die Zelle: ein kleiner Raum mit warmem Fließwasser, Bett, Tisch, Kasten, Bücherregal.

Berufung in Lourdes

Im Besucherzimmer des Karmel sitzt Sr. Maria Immaculata für dieses Gespräch hinter einem Metallgitter. Dunkelbrauner Habit, schwarzer Schleier „als Zeichen für den ewigen Bund mit Gott“. Ein Kruzifix auf dem Holztisch. So ist ein Außenkontakt erlaubt, die Zustimmung von Mutter Priorin (Sr. Veronika Salbrecher) vorausgesetzt. Die Berufung, die so schwer beschreibbare „innere Einsprechung Gottes“, habe sie bereits 2001 erlebt. Da war die gebürtige Linzerin nach Lourdes gepilgert, um für den leukämiekranken Ehemann zu beten. Am letzten Tag habe sie Gott gehört: „Ich habe dich in den Karmel berufen.“ Damals habe sie erst nachschlagen müssen, was ein Karmel ist, erzählt sie mit frischer Stimme und unterstreichender Gestik. Immer wieder huscht ein Lächeln übers Gesicht.

Damals, das war ein Alltag als Ehefrau, Mutter, ein Haus mit Garten. Die HAK-Absolventin ging mit 19 nach Wien, wurde Vorstandssekretärin bei den Austrian Airlines. Dann Hochzeit, Kinder, Jahre als Geschäftsführerin im eigenen Herrenmodengeschäft. „Normal katholisch“ sei sie aufgewachsen. „Das Leben ist für mich sehr schön verlaufen. Aber es gab immer mehr Gottesferne.“ Mit 35 Jahren, als manches „schiefgelaufen ist“, habe sie erkannt, „dass ich in meinem Leben auf Gott vergessen hatte und mit Volldampf zurück in seine Arme wollte“. Mit täglichen Messen, Rosenkranzgebeten, dem sich völligen Anvertrauen an die Mutter Gottes habe sie „die Schätze der katholischen Kirche gefunden“. Ehrenamtliches Engagement und Mitgliedschaften in der Legion Mariens, im Säkularorden des Teresianischen Karmel samt zeitlichem Versprechen (2012), die Vorstandsmitgliedschaft in der Edith-Stein-Gesellschaft und die Mitarbeit im Karmelitenkloster in Wien folgten.

Schicksalsschläge

Dazwischen, 2004, trotz vieler Hindernisse, mit 48 Jahren, der Eintritt in ein Kloster in Innsbruck. „Mein Mann war bereit, für die Kinder und das Haus zu sorgen“, fasst sie die Zeit knapp zusammen. Nach neun Monaten die Rückkehr nach Hause, immer noch mit der Gewissheit, „dass ich eine Berufung habe“. Der Tod des Vaters, des Ehemannes, eines Sohnes erschütterten zwischen 2004 und 2007 die Familie, „da war meine Anwesenheit zu Hause sehr notwendig“. Und für die Familie schien „die Gefahr gebannt“.

Bei einem zufälligen Aufenthalt im Karmelitinnenkloster in Himmelau hörte sie den erneuten Ruf Gottes und hinterfragte: „Ich bin nicht mehr jung, bin Mutter, Großmutter, wie soll das geschehen?“ Doch es sei möglich gewesen, „alles zu verlassen, was mir lieb und teuer war, und Gott mein ungeteiltes Herz zu schenken. Gott erwählt, wen er will. Er hat seine Pläne. Ohne Berufung wäre für mich ein Leben hier im Karmel nicht vorstellbar“.

Hier, das ist der Karmel mit 13 Schwestern zwischen 43 und 90 Jahren. Knapp unter 60 sei der Altersdurchschnitt, erzählt die Mutter Priorin. Die Wolfsbergerin war Typografikerin, trat vor elf Jahren mit knapp 47 Jahren in den Orden ein. Sr. Maria Immaculata ist in der Geschichte dieses Karmels die Erste, die davor ein Leben als Ehefrau, Mutter und Oma hatte. Andere waren Krankenschwestern, Bäuerinnen, Angestellte. „Ich bin sehr dankbar, dass ich aus dem normalen Leben rausgeschmissen wurde“, sagt Sr. Maria Immaculata. Heimweh? Zweifel? Die habe sie in all den Jahren hier nie gehabt. „Das ist eine Gnade. Ich habe Frieden im Herzen. So wäre es nicht, wenn es nicht der richtige Weg wäre.“

Ablehnung der Familie

Ihre Familie denkt anders. Es ist ein wunder Punkt. Im Livechat während der Liveübertragung der Ewigen Profess schrieb ein Sohn: „Ich möchte ausdrücklich darauf hinweisen, dass keiner ihrer Kinder/Enkelkinder diese Veranstaltung gutheißt und wir gerne unsere Mutter/Großmutter zurückwollen.“ Die Einladung der Mutter, Oma, beim Gottesdienst mit dabei zu sein, hat niemand aus der Familie angenommen. Der Kontakt ist schon länger abgebrochen. „Natürlich schmerzt mich das; sie nicht zu sehen, weil sie nicht zu Besuch kommen. Keinen Anteil an ihrem Leben zu haben. Ich habe Sorgen, ob es ihnen gut geht. Täglich bete ich für alle: Gott, Du hast mich von ihnen weggeholt, jetzt musst Du für sie sorgen.“ Und zum Schluss des Gespräches sagt Sr. Maria Immaculata: „Der Himmel ist unsere Heimat. Da möchte ich meine Kinder und Enkel bei mir haben. Da ist es wert, dass ich jetzt verzichte und Opfer bringe.“