Wir wollen das 1,5-Grad-Ziel hier nicht sterben lassen“, sagte Frans Timmermans am Samstagvormittag in Sharm el-Sheikh vor versammelter Presse und betonte jede einzelne Silbe. Der EU-Klimakommissar wollte das Ruder noch einmal herumreißen, wollte die festgefahrenen und bereits weit in der Verlängerung steckenden Klimaverhandlungen doch noch in einen Erfolg ummünzen. Keine 24 Stunden später zeigte sich: Das Vorhaben ging nur minimal bis gar nicht auf, das Ende der 27. UN-Klimakonferenz brachte nicht den Fortschritt, auf den viele gehofft hatten.

Als der ägyptische Konferenzpräsident Sameh Shoukry den Verhandlungsmarathon am frühen Sonntagmorgen – rund 36 Stunden nach dem ursprünglich geplanten Ende – schloss, hatte sich die Welt in Sachen Emissionsreduktion nicht wesentlich weiterbewegt. Die Beschlüsse von Sharm el-Sheikh bekräftigen im Wesentlichen jene Wendungen, die bereits vor einem Jahr in Glasgow formuliert worden sind: Eine Abkehr aus der Kohleverstromung wird angestrebt, die Pariser Klimaziele werden weiter verfolgt.

Fossile Energieträger bleiben außen vor

Festgehalten wird diesmal zwar, dass die globalen Emissionen bis 2030 um 43 Prozent sinken müssen. Dass dafür aber auch die Verbrennung von Erdöl und Erdgas zurückgefahren werden muss, bleibt in den Texten entgegen den massiven Forderungen der EU unerwähnt. Abermals wehrten sich vor allem die Golfstaaten sowie auch Russland erfolgreich gegen die Benennung des Offensichtlichen. Stattdessen werden die Staaten in der Schlusserklärung – zum wiederholten Mal – aufgefordert, ihre Klimaambitionen bis zur nächsten Konferenz nachzubessern.

Dabei hätte alles durchaus noch schlimmer kommen können. Zwischendurch stand sogar eine Verwässerung des Pariser Abkommens im Raum, was im letzten Abdruck noch verhindert werden konnte. Timmermans hatte für diesen Fall sogar gedroht, die Konferenz ergebnislos scheitern zu lassen. Groß war in diesem Zusammenhang der Unmut vieler Delegierter über die ägyptische Verhandlungsführung, die zwischenzeitlich mehr darum bemüht schien, finanzielle Interessen der von China dominierten Ländergruppe G77 zu vertreten, als unter den Staaten nach Konsens zu suchen.

Schadensfonds vorerst ohne Details

Durchgesetzt haben sich die Staaten des Globalen Südens mit ihrer zentralen Forderung, einen eigenen Fonds zur Abdeckung von Klimaschäden (etwa durch Dürren oder Überschwemmungen) einzurichten. Die Details dazu soll binnen eines Jahres eine Kommission aus zehn Industrie- und 13 Entwicklungsländern ausarbeiten. Eine Formel, die notwendig wurde, weil auch zur Ausgestaltung des Fonds in Ägypten kein Konsens gefunden werden konnte. Dabei geht es nicht nur um die Größe des Geldtopfes und um die Frage, für welche Klimaschäden es am Ende Unterstützung geben soll. Entscheidend ist vor allem, welche Staaten zu den Zahlern und welche zu den Empfängern gehören.

So verlangen EU und USA, dass die Gelder nur an „vulnerable Entwicklungsländer“ gehen sollen, die selbst bislang wenig Treibhausgase ausgestoßen haben. Ein Beispiel wäre etwa das heuer von einer historischen Flutkatastrophe heimgesuchte Pakistan. Peking wiederum will alle Entwicklungsländer unter den potenziellen Profiteuren sehen, was dann auch Staaten wie Saudi Arabien und natürlich China selbst umfassen würde. Ein Ansatz, der für die Industriestaaten als rote Linie gilt. Auf die Arbeit der eingesetzten Kommission darf man also bereits gespannt sein.

Von "Ernüchterung" bis "Enttäuschung"

Klimaministerin Leonore Gewessler, die bis zuletzt an den Verhandlungen teilnahm, bezeichnet die Konferenzergebnisse entsprechend als „enttäuschend“, Bundespräsident Alexander Van der Bellen zeigte sich „ernüchtert“. Für UN-Generalsekretär Antonio Guterres hat der Gipfel „zentrale Ziele verfehlt“.

Und das 1,5-Grad-Ziel? Das wurde formal zwar nicht im Roten Meer versenkt. Auch physikalisch bleibt es theoretisch weiter erreichbar. Faktisch aber glaubt spätestens nach dieser Konferenz kaum noch jemand daran. In Wahrheit habe die Welt hier das Erreichen des in Paris vereinbarten Ziels aufgegeben, sagt WWF-Klimasprecher Thomas Zehetner. Dass die nächste Klimakonferenz ausgerechnet im Erdöl-Mekka der Vereinigten Arabischen Emirate stattfinden wird, lässt begrenzten Raum für Hoffnung auf eine baldige Wende.