Zu wenig, zu spät: Auf diese knappe Formel lässt sich das weltweite Handeln in Bezug auf den fortschreitenden Klimawandel bringen. Der Befund gilt nicht nur für den immer noch wachsenden Treibhausgasausstoß, er stimmt auch in Sachen Anpassung an die künftigen Gegebenheiten. Denn die Welt laufe Gefahr, kaum vorbereitet von den klimatischen Entwicklungen überrollt zu werden, konstatieren Forscher aus aller Welt im zweiten Teil des sechsten Weltklimaberichts, der am 28. Februar in Genf der Öffentlichkeit vorgestellt worden ist.

270 Wissenschaftler aus 67 Staaten haben unter Mithilfe von 675 beitragenden Forschern über viele Monate hinweg den weltweiten Wissensstand zu den Folgen der Klimakrise für die Menschheit erhoben und in den Hunderte Seiten umfassenden Bericht gegossen. Beim Ergebnis handle es sich um eine "düstere Warnung vor den Konsequenzen der Tatenlosigkeit", formuliert es IPCC-Vorsitzender Hoesung Lee. Auch wenn die globale Erwärmung nur zwischenzeitlich die Marke von 1,5 Grad überschreite und später etwa durch Aufforstungen wieder leicht zurückgehe, seien einige der Konsequenzen nicht rückgängig zu machen, legen die Forscher dar. "Halbherzige Maßnahmen sind keine Option mehr", folgert der Südkoreaner Lee.

Eine Bedrohung für Milliarden

Bereits jetzt habe die globale Erwärmung Hitzewellen, Dürren und Überschwemmungen durch Extremwetter in vielen Erdregionen häufiger werden lassen, heißt es im Bericht. Vor allem in Asien, Afrika, Lateinamerika und kleinen Inselstaaten haben dadurch Millionen von Menschen Probleme mit der Wasser- und Nahrungsversorgung bekommen. Insgesamt sind laut dem Report rund 3,3 bis 3,6 Milliarden Menschen durch die Folgen der Erhitzung hochgradig in ihren Lebensumständen bedroht. Stark betroffen sind die Städte, in denen bis 2050 rund die Hälfte der Weltbevölkerung leben wird. Die steigenden Temperaturen machen die Metropolen vor allem in ärmeren Weltregionen zu Hitzeinseln bis über die Grenzen der menschlichen Belastbarkeit hinweg.

Auf dem Land konfrontiert die rasante Wärmeentwicklung Pflanzen und Tiere binnen kurzer Zeit mit Bedingungen, die es für sie zumindest seit Zehntausenden Jahren nicht gegeben habe, konstatieren die Forscher. Die Arten wandern in der Folge weiter in Richtung der Pole bzw. in tiefere Ozeanschichten. Bei den Meereslebewesen beobachten die Forscher ein Ausweichen in Richtung der kühleren Habitate im Norden und Süden um durchschnittlich 59 Kilometer pro Dekade. Arten, denen eine solch rasche Reaktion nicht möglich ist, sterben aus. Die gesamten Vegetationszonen des Planeten verschieben sich rascher, als Gesellschaften reagieren können.

Schwindende Agrarflächen

"Diese Trends haben Auswirkungen auf das globale Nahrungsmittelnetz", heißt es seitens des IPCC. Selbst bei einem Einhalten der Pariser Klimaziele rechnen die Experten damit, dass acht Prozent der heutigen Agrarflächen bis zum Jahr 2100 unbrauchbar sein werden. Afrikas tropische Regionen dürften 3 bis schlimmstenfalls 41 Prozent ihrer Fischereiausbeute verlieren. Die Folgen könnten dramatisch sein, zumal der Fischfang bislang für ein Drittel der Afrikaner wichtigste Proteinquelle ist und den Lebensunterhalt für 12,3 Millionen Menschen sicherstellt.

Steigt die globale Erwärmung auf 2 Grad über vorindustrielles Niveau, werden nach den Szenarien der Forscher 800 Millionen bis 3 Milliarden Menschen mit Wasserknappheit konfrontiert sein. Bei vier Grad Erwärmung wären bis zu 4 Milliarden Menschen betroffen.

Auch Europa stark betroffen

In Europa wird vor allem der südliche Mittelmeerraum stark von den Veränderungen getroffen werden. "Die substanziellen Verluste im Ackerbau in den meisten europäischen Regionen im Verlauf des 21. Jahrhunderts können nicht durch verstärkten Anbau in Nordeuropa ausgeglichen werden", heißt es im Bericht. Auch künstliche Bewässerungen stoßen bald an ihre Grenzen. "Wir müssen uns also auch überlegen, welche Sorten wir überhaupt noch anbauen und in welchen Kombinationen wir es machen", sagt Daniela Schmidt. Die Paläobiologin an der Universität Bristol fungierte im IPCC-Bericht als koordinierende Leitautorin für das Kapitel über Europa. "Hitze, Dürre und Überflutungen werden auch auf unserem Kontinent zu den Hauptrisiken. Das Reduzieren der Emissionen und das Anpassen an die veränderten Bedingungen müssen Hand in Hand gehen."

Umplanen und Ökosysteme schützen

Der Klimabericht widmet sich allerdings auch möglichen Lösungen des Problems. Neben dem Vermindern der Treibhausgasemissionen geht es dabei vor allem um Anpassungsmaßnahmen, um den veränderten Bedingungen gerecht zu werden. Diese Anpassung werde bislang in allen Regionen der Welt vernachlässigt, stellen die Autoren fest. Am schlechtesten vorbereitet seien die meisten Entwicklungsländer – also just jene Gebiete, die historisch am wenigsten zum Treibhausgas-Problem beigetragen haben. Die Palette der notwendigen Maßnahmen sei breit und reiche von veränderten Stadt- und Gebäudeplanungen bis hin zu anderem Umgang mit den Naturressourcen, sagt Schmidt.

Denn der rasende globale Artenverlust verschärft das Klimaproblem zusätzlich. Die Ökosysteme des Planeten können der Atmosphäre mehr Kohlenstoff entziehen, als sie ausstoßen. Heizt sich die Welt bis Ende des Jahrhunderts allerdings um 4 Grad auf, sei jede zweite Pflanzen- und Tierart des Planeten bedroht, heißt es im Bericht. "Die Probleme des Klimawandels und der Zerstörung von Naturflächen gehen Hand in Hand und können nicht unabhängig voneinander in Silos gedacht werden", sagt Hans-Otto Pörtner, Leiter der Sektion Integrative Ökophysiologie am Alfred-Wegener-Institut Bremerhaven und Co-Vorsitzender des zweiten Teils des Weltklimaberichts. "Die Abwärtsspirale muss beendet werden." Gelingen kann das laut den Autoren des Berichts, wenn 30 bis 50 Prozent der Planetenoberfläche als naturnahe Ökosysteme geschützt werden.

Das Zeitfenster schließt sich

Die Zeit für derartige Maßnahmen dränge. "Noch könnten wir auf die Probleme gut reagieren", sagt Pörtner. "Doch das Zeitfenster schließt sich jetzt." Steigen die Temperaturen über das 2015 in Paris vereinbarte Niveau, sei auch mit den durchdachtesten Anpassungsmaßnahmen nicht mehr viel zu holen.