"Öffnet die Theater!“ Mit stummem Protest, mit Tafeln auf der Brust, fordern sechs Kulturaktivisten auf der Piazza San Giacomo, was Bars und Cafés in Udine seit einer Woche dürfen. Damit es nicht eng wird unter den beliebten Arkaden, nutzen die Wirte mit Tischen und Stühlen die halbe Piazza, Samstag Vormittag ist sie von Menschen überströmt.

Wiederbelebung am Wochenende

„Heute ist die Stadt voll und das Geschäft geht“, sagt, gleich um´s Eck herum, Valentina Gortan, die Wirtin der Osteria Al Cappello, vor der man sonst verlässlich auch Udine-Bummler aus Kärnten und der Steiermark bei köstlichen Ciccetti und einem Bicchiere Friulano antrifft. Jetzt ist das Lokal, mit lauter Militärkappen und Strohhüten an der Decke, auch innen voll. „Aber unter der Woche“, geht der Wirtin selbst der Hut hoch, „morto!“ Ausgestorben. Nur einen Bruchteil vom Normalumsatz habe die erste Öffnungswoche gebracht. Corona-Staatshilfe im Lockdown habe kaum zehn Prozent ausgemacht. 80 Prozent Umsatzersatz plus Kurzarbeitgeld plus Fixkostenersatz wie im zweiten Lockdown in Österreich kann sie mit staunend großen Augen über der Schutzmaske nicht fassen: „Incredibile!“

„Wir würden gerne länger arbeiten und auch nach sechs offen halten“, sagt Guiseppe Trevisiolo in der Bar Alla Rocca, am Eingang zur Viale Mercato Vecchio, die über´s Corona-Jahr mit neuer Pflasterung und Palmen chice Fußgängerzone wurde, die jetzt junge Leute beleben. „Sie sind froh, dass die Lokale wieder offen haben. Aber jedes vierte oder fünfte Lokal in Italien wird nie mehr öffnen“, seufzt der Barista. „Für Bars, Cafés und kleine Unternehmen gab es 1000 Euro Hilfe im Monat.“ Zu wenig zum Überleben. „Wir hoffen, dass es mit Mario Draghi endlich Taten gibt und nicht nur Worte.“

Keine Vorreservierung

Im Frisiersalon Jean Louis David werden drei Kundinnen zugleich bedient, die Restplätze dazwischen sind für Abstand gesperrt. Dass man nur mit frischem Coronatest zu ihm kommen dürfe, kann sich Dorian Gieli nicht vorstellen. „Wir arbeiten ohne Vorreservierung.“ Die Kleider- und Schuhgeschäfte durften im zweiten Lockdown durchgehend offen halten, viele blieben trotzdem zu.

Saldi bis 70 Prozent

Jetzt versprechen Aufkleber auf den Auslagen „Saldi 70 %“. Spricht man mit den Ladeninhaberinnen und Verkäufern, so würden sie sich nichts mehr wünschen als einen Kunden pro 20 Quadratmeter. Von einem Kunden pro zehn Quadratmeter ganz zu schweigen. Wenigstens vor den Fisch-Ständen beim Gemüsemarkt auf der Piazza XX Septembre ist ein Corona-Kunden-Korridor angebracht. Bald nach 13 Uhr liegt die Piazza Primo Maggio mitsamt Parkhaus wieder fast ohne Autos da.

Carnevale virtuale in Venedig

In Venedig versprach schon in der „orangen“ Woche davor feuchtnasses Nebelwetter die gewohnt mystische Stimmung zum Carnevale. Doch der ist heuer so geheimnisvoll, dass man ihn öffentlich gar nicht zu Gesicht bekommen wird. „Heuer gibt es nur virtuellen Carneval“, sagt Patrizia Santina. Als Streaming-Veranstaltung. In ihrem Laden am Fuß der Rialto-Brücke hat die Geschäftsfrau im Schaufenster eine janusköpfige Karnevalsmaske postiert, der das Lachen zugleich zum Weinen gefriert. Weil Besucher seit Monaten ausbleiben. „Noch nicht einmal Österreicher, Deutsche und Schweizer können kommen - und Einheimische hat Venedig ja kaum mehr“, wartet die Ladeninhaberin auf Kunden. „Die Zukunft Venedigs? Nach der Pandemie kommen wieder Menschen aus aller Welt - aber wohl weniger.“

Serenissima vor Öffnung in Agonie

„Wir können die Lage mit einem Wort beschreiben...“, sagt Piergiorgio Brusegan. „Ich hoffe, dass dieses Venedig bald versinkt und sich neu erfindet wie vor 1000 Jahren,“ philosophiert der Maler vor der Osteria Al Diavolo e l´Aquasanta in Glas und Rauschebart. Noch ehe die Bars und Restaurants vergangener Woche wenigstens für die Einheimischen öffnen durften, lag die Serenissima in friedhofsgleicher Agonie. Abends säumte kaum ein Lichtstrahl aus den zahlreichen Palazzi den Canal Grande. In der Merceria die Geschäfte hell erleuchtet, geöffnet zwar, aber menschenleer wie die Gassen und Kanäle. Auf dem Markusplatz hat man es sich erspart, die Stege für das Hochwasser aufzustellen. Tristesse auch auf dem Lido: „Die meisten arbeiten im Tourismus und haben ihre Jobs verloren“. Wenigstens in der Formaggeria am Mercato sehen die Venditori noch eine Geschäftsgrundlage: „Etwas essen müssen selbst die Venezianer noch immer.“

Tarvis wartet auf Kärntner Freunde

Disastroso“, fasst Stefano Mazzolini, Vizepräsident des friulanischen Regionalparlaments, die Situation in der Region zusammen. Neben seinem Restaurant „Al Vecchio Skilift“ in Tarvis ist die Seilbahn im Betrieb. „Nur zum Trainieren für die Jugend vom Skiklub. Hier in Tarvis trifft uns die Pandemie schlimm, weil weder Touristen noch Tagesbesucher da sind.“ Auch seit der Öffnung vor einer Woche blieben viele Geschäfte und Lokale geschlossen. „Weil das billiger ist, als zu öffnen. Wir können nur auf Ostern hoffen, wenn unsere Kärntner Freunde wieder über die Grenze dürfen.“
Vielleicht.