Die Millennials, wie die Jahrgänge der 1980er und 1990er oft genannt werden, erleben zum zweiten Mal in ihrem noch jungen Leben eine sogenannte „Jahrhundertkrise“. Sie sind schon wegen der Finanzkrise „zu spät zur Party“ von steigenden Einkommen und stabilem Wachstum gekommen, jetzt droht mit dem Corona-Crash eine große Narbe.

Die Prioritäten in der akuten Krise sind klar. Die Gesundheitskrise muss gelöst werden, Neuansteckungen reduziert, die Kurve abgeflacht werden. Was da unter „flatten the curve“ gefordert wird, ist in kürzester Zeit von Fiktion zu Alltag geworden. Das Tragen von Masken, Homeoffice und Selbstisolation, mitten im Jahr leere Schulen und Kindergärten.

Nebenwirkungen sind offensichtlich

Doch die Nebenwirkungen unserer Maßnahmen sind ebenso offensichtlich. Was gesundheitspolitisch wichtig ist, ist wirtschaftspolitisch teuer. Nun ist kaum ein Preis zu hoch, um ein Menschenleben zu retten. Doch als Gesellschaft müssen wir uns auch um die tiefen wirtschaftlichen Verwerfungen durch die Coronavirus-Krise kümmern, die Menschen in Arbeitslosigkeit, Selbstständige in den Ruin und Unternehmen in die Insolvenz stürzen. Weltweit wird die Wirtschaftsleistung heuer erstmals seit dem Zweiten Weltkrieg schrumpfen. Die Rezession wird tiefer sein als 2008/09. Der Arbeitsmarkt ist auch in Österreich kaum wiederzuerkennen: In nur sieben Wochen Lockdown ist die Arbeitslosigkeit um 170.000 gestiegen, 1,2 Millionen Menschen sind in Kurzarbeit.

An dieser Stelle hat am 21. April Peter Plaikner vor allem die Nöte der Babyboomer in den Blick genommen und eine Pensionierungswelle prophezeit. Die geburtsstarken Jahrgänge 1955 bis 1965, so seine These, wandern direkt von den Hebeln der Macht in die Altersdiskriminierung.

Besonders krisenanfällig

Doch bei diesem Lamento bleibt ein wichtiges Faktum auf der Strecke: Es sind gerade junge Menschen, die besonders krisenanfällig sind. Es waren auch nach der Finanzkrise 2008 gerade die damals jungen Erwachsenen, die von deren Folgen getroffen waren. Sie sind „zu spät zur Party“ des hohen Wachstums bis 2008 gekommen, wie ich in einem Buch skizziert habe. Und sie mussten dafür mit niedrigeren Einkommen als ihre Vorgängergeneration büßen, sie waren häufiger in den wichtigen Jahren ihres Arbeitsmarkteintritts mit Arbeitslosigkeit konfrontiert und auch häufiger befristet angestellt. Jung sein und gerade auf dem Arbeitsmarkt Fuß fassen ist schwierig, wenn gerade Krise herrscht. Dann sind nämlich die Karrieresprossen morsch. Auch noch Jahre danach kann man feststellen, dass sich die Einkommen eines „Krisenjahrgangs“ schwächer entwickeln. Dazu ist gekommen, dass es gerade die jüngeren Jahrgänge sind, die mit den gestiegenen Wohnkosten konfrontiert sind, aber nur selten etwas von den gestiegenen Immobilienpreisen hatten. Die Coronakrise wird viele dieser generationellen Gräben noch vertiefen.

Denn gerade die Jüngeren kommen seltener in den Genuss von strukturkonservativen Maßnahmen der Krisenbekämpfung. Unternehmen trennen sich in unsicheren Zeiten eher von jungen Mitarbeitern, die gerade begonnen haben, wie die stark gestiegenen Arbeitslosenzahlen für Jüngere in Österreich zeigen. Das AMS wertete die Entwicklung des Arbeitsmarktes in der Coronakrise aus und zeigte, dass die Beschäftigung bei den unter 25-Jährigen um 8,6 Prozent gesunken ist, bei den über 50-Jährigen waren es hingegen nur 1,6 Prozent.

Einfrieren des Lebens reicht nicht

Gerade atypisch Beschäftigte, die vielleicht auch noch selbstständig nebenbei arbeiten, haben die größten Hürden bei den aufgelegten Hilfsmaßnahmen. Und es sind gerade junge Unternehmen wie Start-ups, denen die staatlichen Nothilfen, die sich auf die Einnahmen der Vergangenheit stützen oder Kreditgarantien versprechen, weniger helfen – angesichts von wenigen Sicherheiten und viel Zukunftsmusik in ihren Businessplänen.

Mit einem „Einfrieren“ des gesellschaftlichen Lebens ist es jedenfalls nicht getan. Wir brauchen ein dynamisches Wirtschaftssystem, das laufend Neues schafft, Unternehmen und Jobs hervorbringt. Im Corona-Lockdown geriet das in den Hintergrund – Social Distancing verhinderte Bewerbungsgespräche und die tiefe Krise viele Unternehmensgründungen, weil Risikokapital-Geber in diesen Zeiten nicht neue Projekte finanzieren können, wenn bestehende Unternehmen gerade gerettet werden müssen.

Auch für die Nachfolger der Millennials, noch im Bildungssystem, droht das Jahr 2020 Narben zu hinterlassen. Nun sind Schulen geschlossen, Universitäten verordnen sich neutrale Semester und verzichten auf Präsenz. Was wichtig ist, um die Ausbreitung des Virus zu verlangsamen, ist für die Ausbildung gerade dann schlimm, wenn Schulen, Unis, Lernende und Lehrende schlecht auf Distance Learning vorbereitet sind.

Crashkurs für die Vereinbarkeit von Familie und Homeoffice

Zwar ist die Krise im Bildungsbereich auch Chance, wenn digitale Innovationen nicht nur kurzfristige Notmaßnahmen bleiben, sondern nachhaltig stärker in den Schulen, Fachhochschulen und Universitäten eingesetzt werden. Aber gerade Familien werden dieser Tage mit einem Crashkurs in Sachen Vereinbarkeit von Beruf und Familie konfrontiert. Homeoffice und Homeschooling sind nicht wirklich leicht unter einen Hut zu bringen.

Der britische „Economist“ mahnte jüngst: Gesellschaften müssten gerade jungen Menschen helfen. Obwohl das Coronavirus sie seltener gesundheitlich trifft, sind sie doch ökonomisch die Risikogruppe und ein Großteil der Kosten wird auf sie entfallen; „sowohl heute als auch in Zukunft, wenn Staaten ihre zusätzlichen Schulden abbezahlen müssen“.

Denn was die Krise an wirtschaftlicher Dynamik gefährdet, wird sie an Schulden hinterlassen. Die expliziten und impliziten Schulden werden 2020 deutlich steigen. Die explizite Neuverschuldung wird man leicht eruieren können, mit einem Blick auf den offiziellen Schuldenstand. Doch auch implizit werden sich die Versprechen des Sozialstaates, etwa im Pensionssystem, rasanter entwickeln als die von der Coronakrise erschütterten staatlichen Einnahmen. Diese Schuldenexplosion ist politisch gut erklärbar, signalisiert es doch nicht zuletzt das politische Bemühen, auch konjunkturell „die Kurve abzuflachen“ und keine tiefe Depression zuzulassen. Doch klar ist, dass gerade junge und künftige Steuerzahler noch lange belastet sein werden. Nicht nur, weil sie mit ihren Steuern die Kosten dieser Krise zu bezahlen haben. Sondern weil sie mit ihren Steuern für Versäumnisse geradestehen werden, weil ihre Vorgänger etwa wichtige Pensionsreformen lieber in die Zukunft geschoben haben und mithilfe von Schulden den Konsum lieber heute als morgen finanzierten.

Im Corona-Krisengetöse droht die Zukunftsmusik aktuell unterzugehen, etwa Investitionen in Digitalisierung und Bildung sowie Reformen, die Österreich für den demografischen Wandel vorbereiten. Völlig zu Recht konzentrieren wir uns auf die gesundheitlichen Gefahren für die Älteren in unserer Gesellschaft. Doch es wäre auch wichtig, auf die ökonomischen Gefahren gerade für die Jüngeren nicht zu vergessen. Für diese verletzlichen Kohorten reicht es nicht, das gesellschaftliche Leben einzufrieren, sie sind auf Aufblühen angewiesen.