Das Leben in Zeiten von Corona: Nicht nur eine enorme Belastung im praktischen Alltag vieler und eine exitenzbedrohende Situation für Wirtschaftstreibende, sondern auch eine Belastungsprobe für unser Seelenheil: Wie kann Mensch mit der derzeitigen Lage umgehen?

Für Günter Klug, den Geschäftsführer der Gesellschaft zur Förderung seelischer Gesundheit (GFSG), haben Menschen in solchen besonderen Phasen grundsätzlich mehrere Möglichkeiten sich psychisch stabil zu halten: "Wichtig ist die Gemeinschaft mit anderen - idealerweise wichtigen, lieben, angenehmen - Menschen. Durch den Austausch und das Gespräch ist es möglich seine eigenen Ideen zu korrigieren, wir können seelisch/psychische und körperliche Nähe erleben. Wenn wir uns unsicher fühlen, sind von den Menschen umgeben, die die wir lieben, die uns wichtig sind, und die uns daher Halt und Sicherheit geben."

Natürlich braucht es aber im Bedarfsfall Rückzugsmöglichkeiten, so Klug: "Wir brauchen auch Zeit für uns, die es uns ermöglicht, unsere Gefühle und unsere innere Aufgewühltheit zu spüren, ihr nachzuspüren und auf diese Art wieder Klarheit zu bekommen." Nicht zu vernachlässigen sind zudem körperliche Betätigigung im derzeit möglichen Ausmaß, eine sinnstiftende Tätigkeit und nicht zuletzt eine Struktur im Leben, die aufrecht erhalten wird. "Kurz zusammengefasst: den Tag aktiv planen, Zeiten der Arbeit, des Alleine seins, der Gemeinsamkeit und der Bewegung so gut es geht einplanen. Mehrmals am Tag darüber nachdenken, ob es so passt und was gut gelaufen ist. Wenn die Aggressivität steigt, raus und in Bewegung. Wird die Einsamkeit groß, dann in Kontakt mit anderen treten", so Klug.

Viele flüchten sich derzeit besonders in die Parallelwelt der sozialen Medien: Hier stellt sich die Frage, ob diese ein gutes Mittel sind, um sich zu vernetzen oder eher noch als Brandbeschleuniger bei Sorgen und Ängsten wirken. Die Antwort ist nicht einfach: Als positiv wertet der Experte, dass diese Kanäle es einsamen Menschen trotz Einschränkung der Mobilität ermöglichen, in Kontakt zu ihren Lieben zu bleiben. Der Berg negativer Aspekte ist für Klug aber riesig: "Menschen, die zehn und mehr Stunden am Tag in diesen Netzwerken verbringen, vereinsamen, weil die Wichtigkeit der einzelnen Kontakte in der Masse untergeht, sie die Struktur und den Sinn verlieren."

"Viele Menschen beziehen leider schon ihre Informationen zum größten Teil aus diesem Bereich und nicht über seröse Medien. Besonders eher ängstliche Menschen neigen dazu jede Falschnachricht, und seien sie noch so unglaublich aufzusaugen, und sie dann als Wahrheit weiterzuverbreiten. In vielen Chatgruppen (aber auch in Familiengruppen) kommt es dadurch entweder zu einer Hysterisierung, oder zu einer Vernachlässigung der Problematik mit dem jeweils dazu gehörigen falschen Verhalten. Aus diesem Grund ist die Tagesstruktur auch so wichtig."

Jede persönliche Lebensform hat derzeit ihre eigenen Risiken: Eine Familie auf engem Raum etwa, die wenig Bewegung macht und von der kein Mitglied den Tag für sich strukturiert, trägt ein hohes Risiko für massive Konflikte in sich. Kritisch ist aber auch, dass die einzelnen Familienmitglieder nicht mehr miteinander reden und in dieser beengten Situation trotzdem vereinsamen. Gemeinsam einsam ist nicht nur ein Schlagwort sondern eine reale Gefahr.

Alleinlebende Menschen haben das Problem, dass sie derzeit keine direkten Kontakte mehr haben. Auch wenn sie es schaffen sich über soziale Medien zu vernetzen, merken sie gerade jetzt, wie wichtig der direkte Kontakt, aber auch die Berührung für uns Menschen ist. Auch hier das erhöhte Risiko der Vereinsamung. Das wird noch verstärkt, wenn die Person einer Risikogruppe angehört oder in Erkrankungsverdacht steht oder bereits erkrankt. Die hier entstehenden Ängste können dann oft nicht kanalisiert werden und steigern sich damit laufend.

Paare haben das Problem, dass bereits vorbestehende Schwierigkeiten jetzt unumgänglich und spürbar werden und damit umgegangen werden muss. Das ist einerseits eine Chance, aber lange Diskussionen in der beengten Situation bergen viel Sprengstoff. Besser weniger diskutieren, mehr Nähe und mehr Toleranz gegenüber den Macken des Partners als üblich, so der Expertenrat.

Pro Mente Österreich betreibt seit Ausbruch der Corona-Krise den Blog Erste Hilfe für die Seele, in dem sowohl Experten Tipps und Hilfestellungen geben, als auch Leser beschreiben, wie sie gut durch die Krise kommen. Ob allein, zu zweit, als Kleinfamilie oder im Zusammenleben mehrerer Generationen – der Blog bietet alltagstaugliche Lösungen und wertvolle Überlegungen zu verschiedensten Fragen und Problemen, die sich aus der Bedrohung durch das Coronavirus ergeben.

Das Spektrum der Antworten und Denkanstöße ist dabei weit gefasst: Von Ideen, wie man die Zeit der Ausgangsbeschränkung gut und erfüllend nutzen kann, warum Struktur und Beschäftigung gerade jetzt wichtig sind, wie man am besten mit "Social Distancing" umgeht, ohne dabei zu vereinsamen, über Tipps für den Alltag mit Menschen mit erhöhtem Risiko bis hin zu Überlegungen, wie unsere Sprache den Umgang mit der Krise beeinflussen kann.