Im Jahr 2010 rief die Regierung der Malediven die Welt um Hilfe. Man brauche dringend Konzepte, um mit dem menschengemachten Klimawandel zurechtzukommen, andernfalls müsse man sich nach Siedlungsalternativen auf dem Festland umsehen.

Überflutungen von Jakarta bis Lignano

Etwa 540.000 Einwohner verteilen sich in der südwestlich von Indien gelegenen Republik auf 1.200 Inseln, wobei nur ein knappes Drittel davon bewohnt wird. Die überbevölkerte Hauptstadt Malé liegt genau einen Meter über dem Meeresspiegel. Wenn dieser weiter steigt, wird das gesamte Land immer anfälliger für Überflutungen und könnte von der Karte verschwinden. So wie den Malediven geht es Dutzenden Regionen rund um den Globus. Hunderte Millionen Menschen von Jakarta, über Bangkok und bis an die Adria sind betroffen. Neben Venedig würde auch das beliebte Lignano untergehen.

Die niederländische Botschaft stellte Kontakt zwischen der maledivischen Regierung und dem Den Haager Architekturbüro "Waterstudio" her. Chef Koen Olthuis trieb die Frage an, wie küstennahe Städte steigenden Pegelständen gegenüber widerstandsfähiger werden könnten. Städte müssen schwimmen lernen, denn der Klimawandel ist ein wohl unumkehrbarer Fakt, erklärt der 52-Jährige im Gespräch mit der Kleinen Zeitung. Olthuis entwarf bislang schwimmende Eigenheime, nun dachte man größer.

Noch eine schrille Computer-Animation doch vielleicht schon bald Realität. Ein Straßenzug der "Floating City".
Noch eine schrille Computer-Animation doch vielleicht schon bald Realität. Ein Straßenzug der "Floating City". © Waterstudio

Floß aus Beton

In einem Atoll nahe Malé sollen mehrere große Betonpanele zu Wasser gelassen werden, die miteinander verbunden werden können. Die Hohlgüsse sind trotz ihres großen Gewichts schwimmfähig und werden mit Seilen auf dem Meeresboden verankert. Dadurch können sie sich dem steigendenden Meeresspiegel anpassen. Auf der schwimmenden Basis soll dann eine Stadt entstehen – und unter ihr sollen Korallen Halt finden. Olthuis will der Natur nichts abtrotzen, sondern versuchen mit ihr und den sich wechselnden Bedingungen in Einklang zu kommen.

Doch nicht nur auf den Malediven bietet sich der Bau solcher Wohnungen an. Vielerorts wird bereits an ähnlichen Konzepten gearbeitet, im südkoreanischen Busan sogar unter Schirmherrschaft der Vereinten Nationen.

Städtebau der Zukunft

Seitdem Schiffe so groß geworden sind, dass nur noch Tiefseehäfen für sie geeignet scheinen, verwaisen Hafenareale und innerstädtische Wasserflächen. Olthuis prophezeit ähnliche Projekte in Städten wie Tokyo, Shanghai, London, New York oder Miami.
Zwar wird durch regionale und kulturelle Eigenarten nicht alles gleich aussehen, aber der Weg scheint klar. Deindustrialisierung einerseits und Wohnraummangel andererseits, lassen schwimmende Stadtviertel als effiziente Lösung mehrerer sozialer, aber auch umwelttechnischer Herausforderungen erscheinen.

Einen Meter über dem Wasser und dicht besiedelt. Die maledivische Hauptstadt Malé.
Einen Meter über dem Wasser und dicht besiedelt. Die maledivische Hauptstadt Malé. © Google Earth

Stadt als Ware

Das Konzept lässt sich also durchaus exportieren, allerdings liegt es an den jeweiligen Behörden, wie sozial verträglich es umgesetzt wird. Auf den Malediven sollen die Wohnungen zwischen circa 140.000 und 230.000 Euro kosten, der Durchschnittslohn beträgt indes knappe 14.000 Euro im Jahr.

Die schwimmende Stadt soll über ein privat-öffentliches Konglomerat verwaltet werden, Ausländer sollen durch den Kauf einer Immobilie das Aufenthaltsrecht mit dazu bekommen. Bislang scheint jedoch noch nicht viel passiert zu sein. Entgegen der Darstellung, es befänden sich bereits erste Betonelemente und Vermarkter vor Ort, ist auf aktuellen Satellitenbildern nichts zu sehen.

Dies könnte an bei Bauprojekten üblichen Kapitalengpässen oder logistischen Schwierigkeiten liegen. Öffentliche Finanzierung hingegen, könnte hier gegensteuern und gezielter auf sozioökonomische Belange der Bewohner eingehen. Diese Chancen gilt es zu nutzen.
Die schwimmende Stadt als Arche Noah für Menschen mit dickem Bankkonto wäre dann doch eher Dystopie als eine Lebensweise der Zukunft.