Drei Wochen nach den schweren Erdbeben in der Türkei und Syrien hat in der türkischen Provinz Malatya erneut die Erde gebebt. Dabei seien mindestens ein Mensch getötet und 110 verletzt worden, meldete die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu am Montag. Das Beben hatte laut Erdbebenwarte Kandilli eine Stärke von 5,5 und sein Epizentrum in der Gemeinde Yesilyurt. 

Schon wieder muss nach Vermissten gesucht werden

32 Menschen seien nach dem neuerlichen Beben am Montag aus Trümmern befreit worden, in zwei Gebäuden werde weiter nach Verschütteten gesucht. Die Provinz Malatya wurde auch von den heftigen Erdbeben am 6. Februar stark getroffen. Bürgermeister Selahattin Gürkan sagte dem Sender Habertürk, allein in Malatya seien etwa 2300 Menschen ums Leben gekommen. Laut offiziellen Angaben starben bei den Doppelbeben und in deren Folge bisher mehr als 44.000 Menschen allein in der Türkei, in Syrien mindestens 5900 Menschen.

Erdoğan bittet um Vergebung

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan bat die Menschen in der Türkei unterdessen um Vergebung für Verzögerungen bei der Hilfe nach den starken Beben vor drei Wochen. Aufgrund der großen Zerstörung, der Wetterbedingungen und der Schäden an der Infrastruktur habe man in den ersten Tagen nicht in der "gewünschten Effektivität" arbeiten können, sagte Erdoğan am Montag in Adiyaman. Deswegen bitte er um Vergebung.

Der türkische Präsident bat zudem "um ein Jahr" Zeit, um "die Wunden des Erdbebens zum Großteil" zu heilen. "Wie jeder Sterbliche können auch wir Fehler, Mängel und Makel haben."

Nach den schweren Erdbeben war Kritik am Krisenmanagement der Regierung laut geworden. Vielerorts wurde beklagt, dass Rettungsteams zu spät und in zu geringer Zahl und mit zu wenig Ausrüstung in die Krisenregion gekommen seien. In den Trümmern gefangene Menschen hätten so nicht gerettet werden können. In den Erdbebengebieten herrschten vielerorts Minusgrade, viele der Eingeschlossenen erfroren. Erdoğan mahnte dennoch, die Menschen sollten nicht auf die "Narren" hören, die staatliche Krisendienste angegriffen hätten.

Sachschäden in der Höhe von 34,2 Milliarden US-Dollar

In der Türkei soll noch in diesem Jahr gewählt werden. Erdoğan hatte vor der Erdbebenkatastrophe angekündigt, vorgezogen am 14. Mai abstimmen lassen zu wollen. Ob er daran festhält, ist derzeit unklar.

Nach einer Schätzung der Weltbank hat die Erdbebenkatastrophe im türkisch-syrischen Grenzgebiet allein in der Türkei einen reinen Sachschaden von mindestens 34,2 Milliarden US-Dollar (rund 32,4 Milliarden Euro) verursacht. Das entspreche vier Prozent des Bruttoinlandprodukts des Landes im Jahr 2021, hieß es in einem am Montag veröffentlichten Bericht. Die Kosten für den Wiederaufbau könnten möglicherweise mehr als doppelt so hoch sein. Das hänge auch davon ab, inwieweit neue Bauvorschriften angewendet würden.

Die von der Katastrophe betroffenen Regionen haben in der Türkei die höchste Armutsquote und beherbergen außerdem mehr als 1,7 Millionen syrische Flüchtlinge, wie es in dem Bericht weiter heißt. Die Weltbank schätzt, dass 1,25 Millionen Menschen aufgrund der Schäden an ihren Wohnhäusern oder eines vollständigen Gebäudeeinsturzes vorübergehend obdachlos geworden sind. Dem Bericht zufolge machen Schäden an Wohngebäuden rund 18 Milliarden US-Dollar (17 Milliarden Euro) aus. 9,7 Milliarden US-Dollar (9,2 Milliarden Euro) betreffen Nichtwohngebäude und 6,4 Milliarden US-Dollar (sechs Milliarden Euro) die Infrastruktur wie Straßen oder Strom- und Wasserversorgung.

Syrien nicht berücksichtigt

Der Bericht hat sich nur auf die Schäden in der Türkei und nicht in Syrien konzentriert. Ebenso nicht berücksichtigt wurden die wirtschaftlichen Auswirkungen und Verluste für die türkische Wirtschaft sowie die wohl weitaus höheren Kosten für den Wiederaufbau. Die Bewertungen sind wegen der Nachbeben auch noch nicht abgeschlossen – der Bericht konzentriert sich vorrangig auf die Schäden infolge der ersten beiden Beben Anfang Februar. Die Weltbank wollte am Dienstag einen Bericht zum Schaden in Syrien vorstellen.

Die Weltbank hatte bereits angekündigt, der Türkei nach den Erdbeben Unterstützung in Höhe von 1,78 Milliarden US-Dollar (1,65 Milliarden Euro) zur Verfügung zu stellen. Bei der Unterstützung handle es sich etwa um 780 Millionen US-Dollar Soforthilfe. An der Bereitstellung einer weiteren Milliarde US-Dollar wird gearbeitet.