Die Islamisten hätten in Gesprächen zugesichert, dass Mitarbeiter von Hilfsorganisationen sich im Land frei und sicher bewegen könnten, erklärte ein UN-Sprecher am Sonntag. Nach der Machtübernahme durch die radikalislamischen Taliban ist Afghanistan nach Einschätzung der UNO von einer humanitären Katastrophe bedroht.

Afghanistan war bereits zuvor in hohem Maße von humanitärer Hilfe abhängig. Rund 40 Prozent des Bruttoinlandsproduktes werden aus dem Ausland finanziert. Von den 38 Millionen Einwohnern Afghanistans sind nach UN-Angaben 18 Millionen Menschen akut von einer humanitären Katastrophe bedroht.

Katastrophe droht

Angesichts einer drohenden humanitären Katastrophe in Afghanistan hatte der Nothilfekoordinator der Vereinten Nationen, Martin Griffiths, zuvor die Taliban-Führung in Kabul getroffen. Laut UN sprach Griffiths am Sonntag mit dem Taliban-VizechefMullah Abdul Ghani Baradar, der nach der Machtübernahme der militanten Islamisten als möglicher künftiger Regierungschef des Landes gehandelt wird. In Afghanistan flammt unterdessen der Widerstand gegen die Taliban auf.

Griffiths bekräftigte den Willen der internationalen Gemeinschaft, Afghanistan mit Hilfsgütern zu versorgen, wie es hieß. Zugleich habe der UN-Diplomat die Taliban dazu aufgerufen, die Rechte von Frauen und Minderheiten zu achten. Die neue Führung in Kabul wiederum versprach den UN zufolge, die Sicherheit aller humanitären Helfer - Männer wie Frauen - zu gewährleisten.

Hungersnot

Die Vereinten Nationen hatten am Freitag eine hochrangig besetzte Hilfskonferenz für Afghanistan angekündigt. Das Treffen auf Ministerebene soll am 13. September in Genf stattfinden. Fast die Hälfte der 38 Millionen Menschen in Afghanistan benötigt nach UN-Informationen Unterstützung. Jeder dritte Afghane wisse demnach nicht, woher seine nächste Mahlzeit kommen solle.

Offensichtlich drangen die Taliban weiter in das Panjshir-Tal vor. Die italienische Hilfsorganisation Emergency, die ein Krankenhaus und eine Geburtenstation im Tal betreibt, teilte auf Twitter mit, dass die Islamisten das Dorf Anabah, rund 30 Minuten von der Provinzhauptstadt Basarak entfernt, erreicht hätten. Die Islamisten erklärten am Sonntag, sechs der sieben Bezirke seien bereits unter ihrer Kontrolle. Vertreter der Widerstandskämpfer gaben dagegen am Sonntag an, der Bezirk Parjan am Talende sei vollständig von Taliban-Kämpfern befreit worden. Am Eingang zum Tal seien Taliban nach der Sprengung eines Teils eines Berges eingekesselt. Rund 1.000 Angreifer seien getötet oder gefangen genommen worden.

Ein aus der Provinz stammender bisheriger Parlamentarier, Sal Mohammed Salmai Noori, sagte, es gebe Gefechte in Parjan und in Shutul - ein Bezirk, der am Talanfang liegt. Alles dazwischen sei unter Kontrolle des Widerstands. Achmad Massoud, der Anführer des Widerstands in Panjshir, erklärte am Samstag, er wolle weiterkämpfen. Dem Widerstand nahestehende Twitter-Konten berichteten von schwierigen Gefechten und fehlenden Ressourcen. Bereits in der Vergangenheit hatte Massoud andere Länder dazu aufgerufen, den Widerstand zu unterstützen.

Der Anführer einer Widerstandsfraktion gegen die Taliban in Afghanistan zeigten sich zu einer Verhandlungslösung bereit, um die Kämpfe mit den militanten Islamisten zu beenden. Achmad Massoud erklärte am Sonntag, die Nationale Widerstandsfront (NRF) sei bereit, den Krieg sofort zu beenden, falls die Taliban ihre Angriffe in Panjshir beenden. Die NRF sei bestrebt, Konflikte mit den Taliban friedlich beizulegen. Man strebe eine politische Einigung an, bei der alle sozialen Gruppen vertreten seien.

Regierungsbildung verschoben

Wann die Taliban ihre Regierung vorstellen werden, ist weiter unklar. Es gibt Berichte, denen zufolge die Taliban-Führung erst die Panjshir-Frage gelöst haben will. Beobachter berichten aber auch von internen Querelen und Postengeschacher. Die Zusammensetzung der Regierung ist seit Tagen Gegenstand von Gerüchten. Zuletzt hieß es immer öfter, ihr würden ausschließlich Taliban-Mitglieder angehören. Das widerspricht Forderungen aus dem Ausland sowie Versprechen der Islamisten, auch andere Politiker einzubinden.

Während des Taliban-Regimes zwischen 1996 und 2001 durften Frauen in Afghanistan nicht mehr arbeiten und nur noch verschleiert in Begleitung eines männlichen Familienmitglieds das Haus verlassen. Mädchen wurden auch vom Schulunterricht ausgeschlossen. Viele Frauen befürchten seit der erneuten Machtübernahme der Islamisten, dass diese wieder ähnliche Regeln für sie einführen werden.