"Gehen wir jetzt hoch zum Schloss?“, fragt eine Mutter ihre beiden Kinder, die etwas verloren auf Schwäne und Ausflugsboote schauen auf der Themse. Wolken haben sich vor die Sonne geschoben, ein frisches Windchen zieht durch Windsor, an diesem Tag im April.

„Warum sind wir denn hierhergekommen?“, fragt eins der Kinder, ein kleiner Junge, und stülpt sich die Kapuze über die Ohren. Das andere Kind, seine ältere Schwester, erinnert sich an etwas: „Sind die Königin und die Prinzen denn alle hier?“

Die Königin jedenfalls ist mit Sicherheit drinnen in Windsor Castle. Prinz Philip, ihr langjähriger Gemahl, liegt in seinem Sarg in der Schlosskapelle. Das Begräbnis findet diesen Samstag statt.

Aber obwohl sich alles hinter den Schlossmauern abspielt, haben sich viele Britinnen und Briten diese Woche nicht davon abhalten lassen, in dem alten „königlichen“ Marktflecken im Westen Londons noch schnell mal persönlich aufzukreuzen – und sei's nur, um dem Ort des Geschehens nahe zu sein.

Gedenken im Pub

Auf der Außenterrasse von Browns Gaststätte sind so fast alle Tische belegt an diesem Tag, an dem die Mutter mit ihren Kindern zum Schloss hinauf pilgert. Überall riecht es nach Fish and Chips. Wer nicht kalt genug hat, kann sich bei „Mr. Whippy“ ein Soft-Eis holen. Gut besucht ist auch das Lokal „The Real Greek“, wo man der Ursprünge des verstorbenen Prinzen gastronomisch gedenken kann.

Ein paar Bilder von Philip stehen in diversen Ladenfenstern, wiewohl ausgerechnet die Souvenirs-Geschäfte sich keine besondere Mühe gemacht haben. Viele Besucher, oft mit Kinderwägen, haben sich mit ihren Einkaufstüten und Thermosflaschen auf den Bänken entlang der Schlossmauern niedergelassen. Jede zweite Bank muss, aus Covid-Gründen, frei bleiben. Schilder erklären, dass diese Bänke „nicht zu benutzen“ sind.

Ein Ausflug zum Schloss

Da diese Woche noch Schulferien waren in England, haben die jüngsten Ereignisse Familien von überall her zu einem Tagesausflug gelockt nach Windsor – obwohl die Royals gebeten haben, dass wegen der Pandemie niemand zu ihren Schlössern kommen solle. Auch im Bahnhof gibt es ein wenn nicht überschwängliches, so doch reges Kommen und Gehen. An den Tischchen, die sich auf den Vorplätzen und Gehwegen drängen, versucht sich alles warmzuhalten bei einem Pappbecher Tee oder Kaffee.

„Gibt es denn keine Wachwechsel, keine Zeremonien diese Woche?“, erkundigt sich unwirsch ein junges Paar, das extra aus Birmingham angereist ist, zu einer Tagestour hier im Süden. „Leider nein“, antwortet den beiden einer der maskierten Polizisten höflich. „Die sind wohl alle drinnen auf dem Palastgelände, zum Üben.“

Schwere Paukenschläge dröhnen in der Tat über die Mauern. Trompetenstösse, das Klappern von Pferdehufen sind zu hören. Ein paar Dutzend Menschen, die sich im nahen Great Windsor Park versammelt haben, bekommen zumindest die berittenen Abteilungen mit ihren drei Kanonenwagen zu sehen.

Die Hundehalter der Gegend streunen hier im Park herum, während sich kleine Gruppen von Teenagern zu Picknicks niedergelassen haben. Heiß diskutiert wird vor allem, wer die 30 zur Begräbnisfeier geladenen Gäste sind.

Hier lässt man einander wissen, dass „die verkrachten Brüder“ William und Harry nun also nicht Seite an Seite auftreten bei der Trauerfeier; dass von den Royals aus Rücksicht auf Harry keine Militäruniformen getragen werden; dass außer Meghan auch Fergie – die Herzogin von York – nicht mit von der Partie sein wird in der Kirche; und dass dafür drei, den Briten völlig unbekannte, deutsche Prinzen zu der Feier geladen sind.

Sträuße und Grüße

Drüben auf der anderen Seite des Parks sind derweil die Umrisse von Frogmore Cottage zu sehen, wo Prinz Harry seine Quarantäne abgesessen haben soll in den letzten Tagen. Dorthin wird natürlich niemand durchgelassen. Hier aber, am abgezäunten Gelände, haben Royalisten ihre Sträuße und Grüße abgelegt.

„Du warst der beste Opa, den man sich denken kann“, hat eine Kinderhand auf einen Zettel gekritzelt. Einen „enormen Verlust für die Nation“ beklagt eine Beileidskarte aus dem fernen Torquay.

Ein Strauss roter Rosen ist fest in einen Union Jack gewickelt, und mehrere Botschaften an die Queen sind vorsichtshalber versiegelt worden, wohl in der Hoffnung, dass sie der Monarchin noch irgendwann persönlich vorgelegt werden. Wie zu hören war, hat sich Ihre Majestät ja auch „sehr dankbar und gerührt“ über all diese Grüße geäußert.

Gedenk-Gottesdienst

In Windsors Kirche zur Heiligen Dreieinigkeit hat man am Freitagabend einen Gedenk-Gottesdienst für eine – natürlich begrenzte – Zahl nicht-aristokratischer Trauergäste abgehalten. Denn an der wirklichen Veranstaltung, bei der Philip zu Grabe getragen wird, können „normale“ britische Sterbliche, samt dem Rest der Welt, ja nur per Fernsehen teilnehmen.

Nicht einmal andächtiges Herumsitzen in Windsor ist am Samstag erlaubt. Cafés und Gaststätten sind, auf Stadtrats-Beschluss hin, zur Schließung für 24 Stunden von Freitagabend an verpflichtet worden. Was nach Ansicht einiger Wirte, die mit ihrer Frustration nicht hinterm Berg halten, „eine echte Schande ist – wo wir gerade erst wieder in Gang gekommen sind“.