Vor einem angekündigten Generalstreik und weiteren Demonstrationen von Separatisten ist es in Katalonien die vierte Nacht in Folge zu Ausschreitungen gekommen. Mindestens elf Menschen seien festgenommen worden, teilte die Polizei der nordostspanischen Region in der Nacht zum Freitag auf Twitter mit.

Junge Demonstranten setzten am Donnerstagabend im Zentrum der katalanischen Großstadt Barrikaden in Brand und warfen Molotowcocktails auf die Polizei, wie Journalisten vor Ort berichteten. Sie forderten dabei mit lauten Rufen eine Unabhängigkeit Kataloniens.

Regionalpräsident Quim Torra hatte die Ausschreitungen am Rande der jüngsten Proteste verurteilt und zu einem friedlichen Vorgehen aufgerufen. Die katalanischen Unabhängigkeitsbefürworter haben für Freitag zu groß angelegten Protesten und einem Generalstreik aufgerufen. In Barcelona soll eine Großdemonstration stattfinden, für die sich Tausende Menschen aus der Region auf den Weg gemacht haben.

Barcelona glich einem Schlachtfeld

Am Montag waren nur wenige Stunden nach der Verurteilung von neun katalanischen Separatistenführern in MadridStraßenproteste in ganz Katalonien und vor allem in Barcelona gestartet. Eine neue separatistische Bewegung namens "Demokratischer Tsunami" ("Tsunami Democràtic") hatte zu den Kundgebungen aufgerufen.

Aber nicht nur das: In wenigen Stunden wurde auch die Besetzung des internationalen Flughafens El Prat durch Tausende Demonstranten koordiniert. Seitdem kommt es zu gewalttätigen Straßenschlachten zwischen Unabhängigkeitsbefürwortern und der Polizei. Barcelona ähnelt einem Schlachtfeld mit brennenden Müllcontainern, Straßenbarrikaden und vielen Verletzten. Spaniens Innenminister Fernando Grande-Marlaska kündigte im Fernsehen an, die spanischen Geheimdienste werden herausfinden, wer hinter dem "Demokratischen Tsunami" steckt.

Wer steckt hinter dem "Demokratischen Tsunami"?

Tatsächlich ist das nicht ganz klar. Es gibt weder offizielle Sprecher oder bekannte Repräsentanten und Führer. Es verdichten sich allerdings die Vermutungen, dass Kataloniens ehemaliger Separatistenführer Carles Pugidemont, Regierungschef Quim Torra und zahlreiche Politiker der separatistischen Linksrepublikaner ERC die Plattform Anfang September höchstpersönlich ins Leben riefen, um den Unabhängigkeitsprozess wieder kontrollieren zu können. Dies geschah in einem Moment, als vor allem die der radikalen CUP-Partei nahestehenden, gewaltbereiten "Komitees zur Verteidigung der Republik" (CDR) mit ihren Aktionen das Image der Separatistenbewegung verschlechterten. "Holen wir uns die Initiative zurück", lautete ein erster Twitter-Beitrag des "Demokratischen Tsunamis", der sich für einen "friedlichen zivilen Ungehorsam" ausspricht. Nur so ist auch zu erklären, warum Puigdemont, Torra und die ERC-Führung so lange warteten, um die Gewalt auf den Straßen zu verurteilen.

Ist der "Demokratische Tsunami" also unschuldig an der Gewalt?

Ja und Nein. Der Organisatoren des "Demokratischen Tsunami" setzen zwar auf eine energischere Protestkultur als die anderen separatistischen Demo-Veranstalter, wie die Bürgerbewegungen ANC und Omnium Cultural. Die Botschaft lautet: Laut, radikaler, aber gewaltfrei. Die Methoden sind Straßenblockaden und die Störung des öffentlichen Bahn- und Flugverkehrs. Das Problem: Unter den Plattform-Teilnehmern befinden sich auch zahlreiche, gewaltbereite Jugendliche, die gleichzeitig auch in den CDRs tätig sind und während der Proteste zur Gewalt übergingen. Die Grenzen zwischen CDR und Tsunami-Anhänger verschwimmen also.

Wie geht der "Demokratische Tsunami" vor?

Es handelt sich um eine Bürgerplattform, die sich ausschließlich übers Internet und speziell über Twitter austauscht und organisiert. 400.000 Follower hat die Bewegung. Die Proteste werden über eine spezielle App organisiert, die bereits 250.000 heruntergeladen haben. Die Organisatoren orientieren sich stark an der Protestbewegung aus Hongkong. Beispiel: die strategisch und medial sehr effektive Besetzung des internationalen Flughafens.

Das erste öffentliche Communiqué der Bewegung war die Video-Botschaft des bekannten katalanischen Fußballtrainers Pep Guardiola, um auch internationale Medien zu ködern. Guardiola forderte die internationale Gemeinschaft im Namen des "Demokratischen Tsunamis" auf, im Katalonien-Konflikt "einzugreifen" und eine "klare" Position zu beziehen. Mit Blick auf die Verurteilung der Separatistenführer versicherte der aktuelle Coach von Manchester City, in Spanien werden Menschenrechte wie die Versammlungsfreiheit, die Meinungsfreiheit und das Recht auf einen fairen Prozess mit den Füßen getreten.