Der Nobelpreis für Chemie 2019 geht an den US-Forscher John Goodenough, den Briten Stanley Whittingham und den Japaner Akira Yoshino für die Entwicklung von Lithium-Ionen-Batterien. Das gab die Königlich-Schwedische Akademie der Wissenschaften heute, Mittwoch, in Stockholm bekannt. Die Auszeichnung ist heuer mit neun Millionen Schwedischen Kronen (rund 830.000 Euro) dotiert.
"Durch ihre Arbeit haben sie die Voraussetzungen für eine drahtlose und von fossilen Brennstoffen freie Gesellschaft geschaffen und damit den größten Nutzen für die Menschheit gebracht", heißt es seitens des Nobelpreis-Komitees.
Im vergangenen Jahr ging die Auszeichnung zur einen Hälfte an die US-Forscherin Frances Arnold, zur anderen Hälfte an ihren Landsmann George Smith und den Briten Gregory Winter. Sie haben Methoden entwickelt, die die gleichen Prinzipien wie die Evolution nutzen und mit denen es möglich ist, etwa Biokraftstoffe, Arzneimittel und therapeutisch wirkende Antikörper umweltfreundlich herzustellen. Übergeben wird der Preis alljährlich am 10. Dezember, dem Todestag des Stifters Alfred Nobel.
"Schufen eine wiederaufladbare Welt"
Die diesjährigen Nobelpreisträger für Chemie hätten eine "wiederaufladbare Welt geschaffen", begründete das Nobelpreiskomitee seine Wahl. Die leistungsstarken Lithium-Ionen-Akkus würden überall verwendet, in Handy, Laptops und Elektrofahrzeugen. Zudem könnten sie signifikante Energiemengen aus Sonnen- und Windkraftanlagen speichern und damit eine Gesellschaft ohne fossile Brennstoffe ermöglichen.
Der Grundstein für Lithium-Ionen-Akkus sei in den 1970er Jahren während der Ölkrise gelegt worden. Stanley Whittingham (77) von der Binghamton University im US-Bundesstaat New York begann zu dieser Zeit Supraleiter zu erforschen und entdeckte dabei mit Titandisulfid ein extrem energiereiches Material. Dieses nutzte er als innovative Kathode in einer Lithium-Batterie. Metallisches Lithium als Anodenmaterial setzt viele Elektronen frei, womit die Batterie großes Potenzial gehabt hätte - wäre metallisches Lithium nicht sehr reaktiv und die Batterie damit explosiv.
John B. Goodenough von der University of Texas in Austin, mit 97 Jahren der älteste Wissenschafter, der bisher den Nobelpreis erhalten hat, sagte vorher, dass die Kathode noch größeres Potenzial hätte, wenn sie aus einem Metalloxid statt eines Metallsulfids bestehen würde. Nach einer systematischen Suche zeigte er 1980, dass mit einer Kathode aus Kobaltoxid bis zu vier Volt erzeugt werden können. Das Nobelpreis-Komitee bezeichnete das als "wichtigen Durchbruch, der zu deutlich leistungsfähigeren Batterien führte".
Auf Basis der Kathode von Goodenough entwickelte Akira Yoshino (71) von der Meijo University in Nagoya (Japan) 1985 die erste kommerziell verwertbare Lithium-Ionen-Batterie. Statt reaktives Lithium in der Anode verwendete er ein Kohlenstoffmaterial (Ölkoks). Das Ergebnis sei ein strapazierfähiger Akku gewesen, der sich durch sein geringes Gewicht auszeichnet und Hunderte Male aufgeladen werden kann, bevor sich seine Leistung verschlechtert.
1991 kamen dann die ersten Lithium-Ionen-Batterien auf den Markt. Ihr Vorteil besteht laut Nobelpreis-Komitee darin, dass sie nicht auf chemischen Reaktionen beruhen, die die Elektroden zerstören, sondern auf dem Fluss von Lithium-Ionen, die sich zwischen Anode und Kathode hin- und herbewegen.
Der Physik-Nobelpreis ging gestern an die Entdecker eines Exo-Planeten.
Die Chemie-Nobelpreisträger seit 2009
Die seit 1901 verliehenen Chemie-Nobelpreise gingen vor allem an US-Forscher. Die erste Auszeichnung erhielt der Niederländer Jacobus van't Hoff für die Entdeckung von Gesetzen der Osmose. 2013 erhielt der von den Nazis aus Österreich vertriebene US-Forscher Martin Karplus gemeinsam mit Michael Levitt und Arieh Warshel den renommierten Preis. Die Preisträger der vergangenen zehn Jahre sind:
2018: Die US-Amerikanerin Frances Arnold, ihr Landsmann George Smith und der Brite Gregory Winter haben Methoden entwickelt, mit denen es möglich ist, etwa Biokraftstoffe, Arzneimittel und therapeutisch wirkende Antikörper umweltfreundlich herzustellen.
2017: Der Schweizer Jacques Dubochet, der Deutsch-Amerikaner Joachim Frank und der Brite Richard Henderson für die Kryo-Elektronenmikroskopie. Damit lassen sich Biomoleküle im Detail untersuchen - sie zeigt etwa dreidimensionale Bilder von Proteinen.
2016: Der Franzose Jean-Pierre Sauvage, der gebürtige Brite James Fraser Stoddart und der Niederländer Bernard Feringa. Sie bauten aus nur wenigen Molekülen etwa künstliche Muskeln und ein Mini-Auto.
2015: Tomas Lindahl (Schweden), Paul Modrich (USA) und Aziz Sancar (USA/Türkei), die Erbgut-Reparatursets beschrieben hatten. Diese Erkenntnisse dienen unter anderem zur Suche nach Krebsmedikamenten.
2014: Der Deutsche Stefan Hell sowie die US-Amerikaner Eric Betzig und William Moerner für die Erfindung superauflösender Mikroskope. Damit kann man in lebende Zellen blicken und Abläufe bei Krankheiten wie Alzheimer oder Parkinson beobachten.
2013: Martin Karplus (USA), Michael Levitt (USA/Grossbritannien) und Arieh Warshel (USA/Israel) für Methoden, mit denen sich auch komplexe chemische Reaktionen virtuell nachvollziehen lassen.
2012: Robert Lefkowitz und Brian Kobilka aus den USA für die Entdeckung von Rezeptoren, die zahlreiche Signale von außen in die Körperzellen übermitteln.
2011: Dan Shechtman (Israel), der Quasikristalle entdeckt hatte, die zuvor von vielen Chemikern für unmöglich gehalten wurden.
2010: Richard Heck (USA) sowie die Japaner Ei-ichi Negishi und Akira Suzuki, die komplexe Substanzen aus Kohlenstoff herstellten. Sie bauten so unter anderem natürliche Wirkstoffe gegen Krebs nach.
2009: Venkatraman Ramakrishnan (Grossbritannien), Thomas Steitz (USA) und Ada Jonath (Israel) für die Erforschung der Eiweißfabriken in biologischen Zellen, der Ribosomen.