Bei einem bewaffneten Angriff auf zwei Moscheen während der Freitaggebete in der neuseeländischen Stadt Christchurch hat es mindestens 49 Tote gegeben, 48 weitere Menschen wurden mit Schusswunden in Krankenhäusern behandelt - darunter auch kleine Kinder. Bei den Tatorten handelte sich um die Masjid-al-Noor-Moschee im Stadtzentrum und um eine Moschee im Vorort Linwood. Laut der Polizei starben 41 Menschen in der Hauptmoschee von Christchurch (Al-Noor-Moschee) und sieben weitere in einem Gebetshaus in dem Vorort Linwood. Ein 28-jähiger Australier aus der rechtsextremen Szene hat sich zu den Anschlägen bekannt. Insgesamt sollen vier Personen  - drei Männer und eine Frau - verhaftet worden sein, wobei einer davon vermutlich nicht mit dem Angriff in Verbindung steht.

"Manifest" mit rechtsextremen Parolen

In einem Manifest, das sich gegen Einwanderer richteteund mittlerweile als echt identifiziert wurde, teilte der 28-Jährige mit, dass er extra nach Neuseeland gekommen sei, um den Anschlag zu planen und dafür zu trainieren. Der Mann soll bereits am morgigen Samstag einem Richter vorgeführt werden. Bei den übrigen  Verdächtigen müsse noch genau geklärt werden, was sie mit dem Vorfall zu tun hätten. Sie seien im Besitz von Schusswaffen gewesen.

Laut Augenzeugen-Berichten soll das Feuer in der Masjid-al-Noor-Moschee mindestens 20 Minuten lang gedauert haben. "Er wollte nicht, dass jemand überlebt", so ein Augenzeuge zur BBC.

Bei Tat Helmkamera getragen

Im Internet kursierte ein Video der Tat, das von dem 28-Jährigen mutmaßlichen Angreifer stammt. Seinen Namen nannte die Polizei nicht. Offenbar trug er dabei eine Helmkamera. In sozialen Medien wurden Aufnahmen verbreitet, die Polizei forderte die User auf, dies nicht zu tun. Darin war zu sehen, wie Gläubige zusammengekauert auf dem Boden einer Moschee lagen. Sie waren möglicherweise tot oder verwundet. Im Umfeld des Films wurde ein Text veröffentlicht, in dem ein Unbekannter einen "Angriff auf Invasoren" ankündigt und sich rassistisch gegenüber Einwanderern äußert. Die Aufnahmen zeigen zunächst, wie ein Mann zu einer Moschee fährt, dort eindringt und über fünf Minuten lang wahllos auf Gläubige schießt - wie in einem Shoot-and-run-Spiel, aber in echt.

Auf weiteren Waffen, die der Mann im Kofferraum hat, war "Kebab Remover" (Kebab-Entferner) zu lesen und der Name eines Mädchens, das 2017 bei einem Terrorangriff in Schweden starb. Schon vor der Tat hatte der Australier ein 74-seitiges "Manifest" mit rechtsextremen Parolen ins Internet gestellt. Als eines der Motive nennt er, eine "Atmosphäre der Angst" schaffen zu wollen. Sich selbst beschreibt er als jemanden aus der Arbeiterklasse.

Dem bosnischen Botschafter in Neuseeland zufolge hat der Attentäter auf dem Weg zum Tatort ein serbisch-nationalistisches Lied gehört. Während der Fahrt habe der Täter einen Song über den früheren Serbenführer Radovan Karadzic gehört, sagte der Botschafter Mirza Hajric dem Sender N1 TV. Das gehe aus einem Video der Tat hervor.

Auf einem Video war auch zu sehen, wie mehrere bewaffnete Beamte einen Mann aus einem weißen Auto ziehen, das zuvor offensichtlich gerammt wurde. Nach Angaben von Polizeichef Bush wurden an mehreren Autos Sprengsätze entdeckt.

Eltern bangten um ihre Kinder

Viele Eltern blieben stundenlang im Ungewissen. Ihre Kinder waren im Stadtzentrum für den Klimaschutz auf die Straße gegangen - nicht weit von der Masjid-al-Noor-Moschee. Der Stadtrat rät Eltern aus Sicherheitsgründen davon ab, in die Stadt zu fahren und nach ihren Kindern zu suchen. Sie sollen sich vielmehr an eine speziell eingerichtete Hotline wenden.

Bei dem Anschlag auf die beiden Moscheen wurden an einem einzigen Tag so viele Menschen getötet, wie sonst in einem ganzen Jahr in Neuseeland. Die Kiwis - wie die Neuseeländer auch genannt werden - sind erschüttert und fassungslos. Doch eins stellen viele gleich von Anfang an klar: An ihrer offenen Gesellschaft soll sich nichts ändern.

Wohngebiet in Stadt Dunedin evakuiert

Bei den Ermittlungen hat die Polizei ein Wohngebiet in der 350 Kilometer entfernt gelegenen Stadt Dunedin evakuiert. Anrainer in der Nähe eines Hauses seien vorsichtshalber in Sicherheit gebracht worden, erklärte die Polizei am Freitag. Das Haus sei im Zusammenhang mit den Ermittlungen "von Interesse", hieß es. Nähere Einzelheiten wurden nicht genannt.

TV ortet Konnex zu Wiener Türkenbelagerung

Der mutmaßliche Attentäter nahm bei seinen Angriffen offenbar auch Bezug auf die Zweite Wiener Türkenbelagerung. In einem TV-Bericht des niederländischen Senders RTL Nieuws mit Aufnahmen vom Tatort ist beispielsweise ein Schriftzug mit dem Namen "Ernst Rüdiger von Starhemberg" zu sehen. Der Feldmarschall hatte 1683 die Verteidigung Wiens geleitet.

Der Bericht, der auch auf der Internet-Plattform Youtube zu sehen ist, lässt vermuten, dass auf den Magazinen des Gewehrs die Namen von historischen Persönlichkeiten aufgeschrieben waren, die gegen die Osmanen gekämpft hatten. Genannt werden neben Graf Starhemberg unter anderen auch Edward Codrington (der britische Admiral unterstützte in den 20er Jahren des 19. Jahrhunderts den Unabhängigkeitskampf Griechenlands gegen die Osmanen) oder Marcantonio Bragadin (kämpfte im 16. Jahrhundert als Gouverneur von Zypern gegen das Osmanische Reich) sowie der serbische Fürst Lazar, der 1389 in der Schlacht auf dem Amselfeld (Kosovo Polje) gegen die Türken gefallen war.

Terroristischer Akt

Australiens Premierminister Scott Morrison stufte den Angriff als Terrorakt ein. Landesweit ist die zweithöchste Sicherheitsstufe ausgerufen worden. Wörtlich sagte Morrison am Freitag: "Wir verurteilen diese Attacke, die von einem rechtsextremistischen gewalttätigen Terroristen begangen wurde, aufs Schärfste."

Auf keiner Gefährderliste 

Der "Terroranschlag" sei "gut vorbereitet" gewesen, sagte Regierungschefin Jacinda Ardern am Freitag. Die mutmaßlichen Angreifer seien nicht auf Gefährderlisten gewesen. Die Behörden würden nicht davon ausgehen, dass es noch mehr Täter gäbe, aber ausschließen könne man dies vorerst nicht.

Polizeichef Mike Bush
Polizeichef Mike Bush © (c) APA/AFP/MARTY MELVILLE (MARTY MELVILLE)

Sorge vor weiteren Angriffen

Der genaue Ablauf der Attacke war auch nach Stunden noch unklar. Für den Pazifikstaat ist es eine der schlimmsten Gewalttaten der jüngeren Geschichte. Aus Sorge vor weiteren Angriffen riegelte die Polizei Schulen und andere öffentliche Gebäude stundenlang ab. An die Bevölkerung - insbesondere an Muslime - appellierte sie, zuhause zu bleiben: "Unter keinen Umständen sollte irgendjemand im Land jetzt zu einer Moschee gehen."

Anschlag knapp entgangen

Das Cricket-Nationalteam aus Bangladesch soll dem Anschlag nur knapp entgangen sein. Die Athleten hätten in der Nähe trainiert und wollten danach in die Moschee zum Beten gehen, hieß es auf BBC. Das Team sei rechtzeitig gewarnt worden. Zuvor hatte es aufgrund einer Pressekonferenz Verspätungen gegeben. Das hätte den Athelten wohl das Leben gerettet.

Nach Augenzeugenberichten begann der Angriff gegen 13.45 Uhr (1.45 Uhr MEZ). Ein bewaffneter Mann drang in eine Moschee in der Innenstadt ein, wo sich zur Mittagsstunde mehr als 300 Menschen zum Freitagsgebet versammelt hatten, und schoss mit einer Schnellfeuerwaffe um sich. Zeugen zufolge handelt es sich bei dem Täter um einen weißen Mann, der Helm und kugelsichere Weste trug. Später fielen auch noch in einer anderen Moschee Schüsse.

Augenzeuge berichtet

Einer der überlebenden Gläubigen, Mohan Ibrahim, berichtete der Zeitung "New Zealand Herald" von einem "Schockmoment". "Dann haben alle Leute angefangen davonzulaufen." Ein anderer Zeuge, Ahmad Al-Mahmoud, sagte: "Es fielen mindestens 50 Schüsse, sehr schnell hintereinander. Können auch Hunderte gewesen sein." Nach der Tat sperrte die Polizei das Gelände um die Moschee weiträumig ab.

Die Bürgermeisterin der Stadt, Lianne Dalziel, fasst die Stimmung so zusammen: "Alle sind geschockt. Ich hätte nie gedacht, dass so etwas hier passieren kann." Aber es trauert ein ganzes Land. Auf dem Parlamentsgebäude in Wellington, der Hauptstadt, haben sie die Flagge auf halbmast gesetzt.

In Neuseeland ist nur eine kleine Minderheit der Bevölkerung muslimischen Glaubens. Insgesamt gibt es dort etwa 50.000 Muslime, viele davon Einwanderer aus Staaten wie Pakistan oder Bangladesch. Größte Religionsgruppe in Neuseeland ist das Christentum. Die Stadt Christchurch hat 350.000 Einwohner und liegt auf der Südinsel des Pazifikstaats. Bürgermeisterin Lianne Dalziel sagte: "Alle sind geschockt. Ich hätte nie gedacht, dass so etwas hier passieren kann."

Bilder aus Christchurch:

Aufregung um Sager


Für Aufregung hat die Twitter-Nachricht von Senator Fraser Anning gesorgt. Er machte darin die muslimische Einwanderung für die Attentate am Freitag verantwortlich. Premierminister Morrison verurteilte die Aussagen als "widerlich".

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Immer wieder werden blutige Angriffe auf Gotteshäuser verübt - eine Chronologie: