Beim Verlesen der Zeugenaussagen im Schlepper-Prozess in Kecskemet wurde die verzweifelte Suche der Angehörigen der 71 Flüchtlinge zum Thema. Ein irakischer Flüchtlingshelfer, der seit 2010 in Österreich war und in einem Heim arbeitete, wurde von den Verwandten der getöteten Iraker kontaktiert, die ihre Angehörigen nicht erreichen konnten. Der Bruder eines der erstickten Flüchtlinge rief den Iraker an, da er auf der Suche nach seinem Angehörigen war. Der Mann wusste von der bevorstehenden Schlepperfahrt. Als dann in den Medien von den 71 Leichen in einem Kühl-Lkw in der Pannenbucht berichtet wurde, rief er den Flüchtlingshelfer an. Er sagte, dass er seinen Bruder nicht mehr erreichen konnte.

Der irakische Angehörige kontaktierte auch einen den Schlepper, dessen Nummer hatte er von seinem Bruder bekommen hatte. Der Menschenschlepper meinte laut Zeugenaussage lediglich, "wenn Leute unterwegs sterben, dann ist Gott daran schuld, nicht ich". Der Flüchtlingshelfer gab diese Informationen schlussendlich der Polizei weiter.

Wind blies Verwesungsgeruch entgegen

"Der Wind blies uns Verwesungsgeruch entgegen", wurde ein Beamter zitiert. Burgenländische Polizisten entdeckten am 27. August 2015 gegen 7.30 Uhr das Fahrzeug in einer A4-Pannenbucht, als sie auf dem Weg zu einer Besprechung in Parndorf waren. Auf dem Weg zurück in die Dienststelle in Neusiedl am See fiel ihnen auf, das der Kühl-Lkw am späten Vormittag immer noch dort stand und hielten an.

Ein Polizist ging zum Fahrerhaus und klopfte an. Es gab keine Reaktion. Da die Tür nicht abgeschlossen war, öffneten er sie. Das Fahrerhaus war leer. Die Tür zum Laderaum sei mittels Draht verschlossen worden. Als er gemeinsam mit einem Kollegen die Ladetür öffnete, sahen sie die zusammengepferchten Menschen und alarmierten die Rettung. Die Polizisten riefen, "Hallo, hallo?, (...) doch es gab kein Lebenszeichen mehr", verlas Richter Richter Janos Jadi die Zeugenaussagen der Beamten.

Zeugenaufruf

Zum Zeitpunkt des Auffindens hatten im Burgenland Temperaturen um die 30 Grad geherrscht. Die Polizei startete daraufhin einen Zeugenaufruf, wem der Lkw bereits zuvor aufgefallen war. Daraufhin meldeten sich Anrufer bei der Polizei, dass der Lkw ab ca 6.15 Uhr in der Pannenbucht stand. Ein weiterer Zeuge will um 6.40 Uhr zwei Männer bei Fahrzeug gesehen haben.

Im Prozess war am Mittwoch auch die Behauptung eines Angeklagten, er arbeite für den bulgarischen Geheimdienst, Thema. Dazu wurde die Aussage eines Verbindungsbeamten des Geheimdienstes verlesen, der für sogenannte Risiko-Ausländer verantwortlich war. Er sagte zwar, dass er mit dem Autohändler mit bulgarisch-libanesischer Staatsbürgerschaft seit 2013 Kontakt gehabt habe. Der Beamte dementierte jedoch, dass der Beschuldigte für den Geheimdienst tätig gewesen ist.

Ein Bulgare weiter auf der Flucht

Am morgigen Donnerstag findet der letzte Verhandlungstag im August statt. Im September, Oktober, November und im Dezember folgen weitere 16 Verhandlungstage. Den insgesamt elf Beschuldigten wird u.a. qualifizierter Mord und Schlepperei im Rahmen einer kriminellen Vereinigung vorgeworfen. Zehn von ihnen nahmen auf der Anklagebank Platz.

Ein Bulgare ist noch auf der Flucht. Die Bande hat laut Anklage mehr als 1.200 Menschen illegal nach Westeuropa gebracht. Ab Juni 2015 schmuggelte die Gruppe verstärkt Flüchtlinge von Serbien über Ungarn nach Österreich bzw. Deutschland. 31 solcher Fahrten konnte die Staatsanwaltschaft in Ungarn nachweisen. Im August 2015 endete eine solche Fahrt tödlich. 71 Menschen erstickten in dem Kühl-Lkw, der auf der A4 entdeckt wurde.