Wie erkenne ich, dass ich mein Kind alleine losschicken kann?

Beobachten Sie ein größeres Sicherheitsbedürfnis der Eltern?

HERKER: Ich sehe, dass manche Zehnjährige bis in die Schulklasse begleitet werden - oft aus einem schlechten Gewissen heraus. Wir haben tagsüber wenig Zeit für die Kinder, darum ritualisieren wir den Abschied. Kinder haben aber das Recht auf Freiräume und darauf, unbeaufsichtigt - damit meine ich nicht fahrlässig - in ihrer vertrauten Umgebung unterwegs zu sein. Hundertprozentige Überwachung führt nicht zu einer stabilen Selbstsicherheit. Ich nehme dem Kind so Erfahrungsräume, durch die Kinder an Selbstsicherheit gewinnen können. Es ist ein schmaler Grat zwischen Unter- und Überforderung.

Warum tun wir Kindern nichts Gutes, wenn wir sie dauerbeobachten?

HERKER: Das ist ein falsch verstandener Auftrag. Zuerst trauen wir den Kindern nichts zu, mit 18 Jahren erwarten wir dann alles von ihnen. Lebenstüchtigkeit ist unser Erziehungsauftrag. Es kann nicht die Lösung sein, den Kindern alles abzunehmen. Tendenziell unterfordern wir Kinder - das andere Extrem sind aber Schlüsselkinder, die oft emotional überfordert und alleingelassen sind.