"Es war wie ein Meer. Nur Teile der Häuser haben noch aus dem Wasser geschaut“, sagt Miljenko Anicic, Caritas-Direktor des Bistums Banja Luka, und schaut auf den Vrbas, der hier schmutzig-grün durch einen Vorort der größten bosnisch-serbischen Stadt fließt. In den vergangenen Tagen hat es wieder stark geregnet und der Fluss ist erneut über seine Ufer getreten.
„Viele Bewohner bekommen bei jedem Regen noch Angst“, sagt Anicic. Tief sitzt bei ihnen noch der Schock über das Jahrhundert-Hochwasser vom vergangenen Mai, als der Vrbas über Nacht binnen weniger Stunden große Teile der Stadt überflutete und massive Schäden verursachte. Mehr als eine halbe Million Menschen waren vom Hochwasser in Bosnien betroffen, 85.000 verloren ihr Heim.

Seither versuchen Anicic und sein Team, den am stärksten Betroffenen zu helfen. Sie verlegen Böden und Elektroleitungen neu, unterstützen die Ärmsten mit Brennholz. 377 Familien konnten sie bereits helfen – mit Spendengeldern, die auch über die Caritas Österreich gesammelt wurden.


„Ich wusste, es wird ernst“

Davor Banic, der hier mit seinem Vater direkt am Ufer des Vrbas lebt, ist einer von ihnen. Er hat sein ganzes Leben am Fluss verbracht, beobachtet den Vrbas jeden Tag und liebt es, Forellen und Weißfische zu angeln. Am Tag, als das Hochwasser kam, war er in der Nachbarschaft einer der ersten, der wusste, was geschehen würde. „Mit einem Holzscheit habe ich das Wasser gemessen. Als ich merkte, dass es ohne Unterbrechung weiter stieg, wusste ich, es wird ernst“, erzählt er. Die Caritas hat ihm mit der Trockenlegung, mit Fliesen, neuen Türen und mit der Elektrik geholfen, sein Haus kann Davor Banic jetzt wieder bewohnen. Von hier wegziehen will er trotz allem, was passiert ist, nicht. „Der Vrbas ist wunderschön“, sagt er. „Ich habe keine Angst.“

Besonders stark vom Hochwasser in Banja Luka betroffen waren die Bewohner der Barackensiedlung von Budzak. Viele von ihnen haben bereits einmal ihr Heim verloren. Damals, als das große Erdbeben von 1969 große Teile von Banja Luka zerstörte. Für gut 20.000 Menschen hat der jugslawische Staat damals einfach Häuser als Notquartiere in Budzak gebaut. Was als Provisorium gedacht war, wurde zur Dauereinrichtung. Am Putz vieler Häuschen sieht man noch an den dunklen Flecken, wie hoch das Wasser im Mai stand.

Zagorka Kurtovic hat damals großes Glück gehabt. Vor knapp 35 Jahren war sie es gewesen, die ihren Sohn vor dem Erdbeben in Sicherheit gebracht hatte. Letztes Jahr war er es, der sie einen Kilometer weit durch hüfthohes Wasser trug.

Fast alles verloren

„Ich konnte mich nach einer Hüftoperation nicht bewegen“, erzählt die 70-Jährige. Sie wachte mitten in der Nacht auf, als das Wasser bereits ihr Bett erreicht und ihren Körper bedeckt hatte. „Nur einen Tisch und acht Sessel konnte ich retten. Alles andere habe ich verloren“ erinnert sie sich.

Ein paar Straßen weiter lebt Slavica Bozic mit ihrem Sohn Andrej und ihrem Mann Danijel. Langsam konnten sie dabei zusehen, wie das Wasser immer höher stieg und letzten Endes innerhalb von fünfzehn Minuten ihr Haus durchflutete. „Ich brachte meinen Sohn und unsere Katzen schon zu Beginn zu meinen Schwiegereltern. Für alle Fälle, dachte ich“, erinnert sich die 34-Jährige, die zwei Stunden später keine Verbindung mehr zum Zentrum von Banja Luka hatte. Alle Brücken standen unter Wasser. Die Mutter zählt zu jenen 50 Prozent der Einwohner Bosnien-Herzwegowinas die arbeitslos sind. Allein mit dem verdienst ihres Mannes und ohne die Hilfe der Caritas hätten sie ihre Baracke nicht erneuern können. Nun haben sie neue Böden, Fenster und Möbel. Andrej erhielt neue Schulmaterialien, nachdem die Flut seine weggespült hatte und freut sich über sein neues Zimmer.

Um den Verlust zu verarbeiten, bekommen viele Fluopfer regelmäßig Besuch von Mitarbeitern des Trauma-Teams der Caritas. Die Psychologen und Sozialarbeiter betreuen hier zurzeit 75, vorwiegend ältere, Personen, die unter Schlaflosigkeit, Apathie leiden oder zu trinken begonnen haben, um den Schock zu überwinden. Viele von ihnen haben auch den Krieg, der in Bosnien von 1992 bis 1995 tobte, noch nicht verarbeitet.

Vor allem für die betroffenen Familien ruft die Caritas nun zu Spenden auf: Viel wurde schon wiederaufgebaut, doch Lebensmittel und Brennholz werden immer noch dringend benötigt.