Es begann alles mit einem Scherz und entwickelte sich zu einem jahrzehntelangen „Running Gag“. Die Behauptung, die deutsche Stadt Bielefeld in Nordrhein-Westfalen existiere nicht. Auf einer Party in Kiel im Jahr 1994 entspann sich ein Gespräch. Ein Gast erzählte, er sei aus Bielefeld - die anderen stellten fest, dort noch nie gewesen zu sein. Das abgewandelte Ergebnis nach einer durchzechten Nacht: Bielefeld kann ergo gar nicht existieren. Haha. Der Informatik-Student Achim Held (Foto unten) trug - als augenzwinkernde Replik auf gängige Verschwörungstheorien – diese Behauptung in die Welt hinaus.

Die Axiom-Argumentation

Die Stadt Bielefeld, immerhin Heimat von 340.000 Menschen, wusste die beliebte „Urban Legend“ für sich zu nutzen. Zum 25-Jahr-Jubiläum rief die Stadt im Jahr 2019 einen Wettbewerb aus: Wer beweisen könne, dass die Stadt tatsächlich nicht existiere, dem winke ein Preisgeld von einer Million Euro. Der Marketing-Trick funktionierte. Und wie. Alleine 300 „Beweise“ trudelten aus dem Ausland, aus den USA, Japan, Russland, Indien, Kanada und Neuseeland, ein. Briefe, Kinderzeichnungen, Gedichte oder literarische Abhandlungen.

Rund 2000 Menschen nahmen am Preisausschreiben teil. Unter ihnen: Ein Mathematiker, der den Wettbewerb besonders ernst nahm und mit einer Argumentations-Finte gewinnen wollte. Laut ihm sei die Stadt nicht existent. Begründet wurde die Aussage mit einem Axiom, einer theoretisch abstrakten grundlegenden Aussage, die ohne Beweis gültig ist. Der Mathematiker wollte die Million Euro sehen. Die Stadt verweigerte die Auszahlung. Und? Der Naturwissenschaftler erhob Klage. Wie jetzt erst bekannt wurde, bereits im September 2023 ohne Erfolg. Das Landgericht Bielefeld gab der Klage nicht statt.

Denn: „Dass die Stadt Bielefeld existiert, ist eine offenkundige Tatsache und bedarf keines Beweises“, stellte das Gericht recht klar fest. Es sei nach der Veröffentlichung aller zum Wettbewerb veröffentlichen Texte des Stadtmarketings und auch der Teilnahmebedingungen deutlich gewesen, dass es sich um eine scherzhafte Marketingaktion gehandelt habe. Was das vorgebrachte Axiom des Mathematikers betrifft, betonte das Gericht: „Der erforderliche Erfolg wäre nach dem objektiven Empfängerhorizont nur der offensichtlich unmögliche empirische Beweis der Nichtexistenz Bielefelds gewesen. Der axiomatische Beweis innerhalb eines axiomatischen Systems war nicht erfasst.“ So viel zum Thema Lösungsorientiert.

So weit, so gut. Oder? Nicht ganz. Der harmlose Running Gag, die lustige Marketing-Idee mit der ebenso amüsanten Argumentation der Nichtexistenz der Stadt – er hat, am Ende des Tages, ernsthafte Folgen. Für den Mathematiker. Der muss nämlich die Gerichtskosten stemmen. Laut der „Neuen Westfälischen“ belaufen sich die Gerichtsgebühren und die Zahlungen an die Anwälte auf rund 46.000 Euro. Bielefeld existiert also. Zumindest das dortige Gericht.