Daten der Plattform „Climate Reanalyzer“ der amerikanischen University of Maine zeigen, dass die Weltmeere seit geraumer Zeit außergewöhnliche Wärmerekorde verzeichnen. Seit etwa einem Jahr liegt die mittlere Oberflächentemperatur im Nordatlantik an jedem einzelnen Tag auf dem höchsten Tagesstand seit Messbeginn vor rund 40 Jahren - meist sogar mit großem Abstand zum bisherigen Tagesrekord.

Seit einem Jahr geht die Kurve der Tagesrekordtemperaturen im Nordatlantik steil nach oben, jene der Weltmeere geht seit 14. März stetig nach oben. „Wenn man sich anschaut, wie die Temperaturentwicklung in den Ozeanen der anderen 40 Jahre war, kann man sehen, dass die derzeitige Erwärmung wirklich weit außerhalb der natürlichen Schwankungen liegt“, sagte Anders Levermann vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK). „Sie ist auch außerhalb dessen, was wir in den letzten Jahren und Jahrzehnten an Erwärmung beobachtet haben.“

Doch laut Levermann kann nicht einzig die menschgemachte Erderwärmung Schuld an der Aufwärtskurve sein. Er geht davon aus, dass es noch andere dynamische Effekte geben muss, die einen Unterschied machen: „Wie viele davon tatsächlich selbst von der globalen Erwärmung verursacht oder verstärkt werden, ist derzeit noch nicht sicher.“ So pumpe etwa das Klimaphänomen El Niño derzeit Wärme aus den Meerestiefen im Pazifik nach oben.

Mensch ist hauptverantwortlich

Mit der Annahme, dass El Niño die Erderwärmung angeheizt hat, ist er nicht allein. Mojib Latif vom Geomar Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel stimmt ihm in dieser Annahme zu. Davor habe „La Niña“ die gegensätzliche Wirkung erzielt. Die Klimaforscher betonen, dass der Hauptgrund für den Temperaturanstieg der Mensch ist.

Laut Latif sind die Rekorde keine sonderliche Überraschung, da Ozeane ein sehr guter Indikator für die Klimaerwärmung sind, denn sie nehmen über 90 Prozent der Wärme auf, die in der Atmosphäre verbleibt.

Die Luftaufnahme eines Dorfes im Süden Madagaskars. Im Inselstaat, der als erster mit einer durch den Klimawandel bedingten Nahrungsmittelknappheit konfrontiert ist, gab es zuletzt kaum Regen. Da sich das El-Nino-Klimamuster durchsetzt, wird eine Verschärfung der Hungersnot befürchtet.
Die Luftaufnahme eines Dorfes im Süden Madagaskars. Im Inselstaat, der als erster mit einer durch den Klimawandel bedingten Nahrungsmittelknappheit konfrontiert ist, gab es zuletzt kaum Regen. Da sich das El-Nino-Klimamuster durchsetzt, wird eine Verschärfung der Hungersnot befürchtet. © KLZ / Sarah Tetaud

Überraschend hingegen ist der besonders warme Atlantik, weiß Helge Gößling, Klimaphysiker am Alfred-Wegener-Institut in Bremerhaven: „Übrigens ist ja auch der Südatlantik jetzt dazugekommen. Auch der ist seit ungefähr Dezember ungewöhnlich warm.“

Der künftige Verlauf der Temperaturkurve wirft für die Forscher Fragen auf. „Die Vorhersagen gehen eigentlich alle davon aus, dass im Laufe des Frühlings El Niño verschwindet und sich wahrscheinlich dann später sogar zu seinem Gegenstück La Niña umkehrt“, vermutet Gößling. Mit La Niña wird ab den Sommermonaten gerechnet.

Verschiedene Erklärungen haben die Forscher für die Erklärung des Nordatlantik. Die Schiffsemissionen unterliegen seit 2020 strengeren Vorschriften. „Das heißt, die Schwefelverbindungen, die dabei emittiert werden, sind jetzt reduziert worden.“ Die Verbindungen haben einen kühlenden Effekt auf das Klima. Allerdings sei es unwahrscheinlich, dass man damit die ganze Anomalie im Atlantik erklären kann. Auch schwache Passatwinde im Frühjahr 2023, die für seine Erwärmung verantwortlich gemacht wurde

Zu einem - grob geschätzt - zwanzigstel Grad der Erwärmung trägt der Ausbruch eines Unterwasservulkans Anfang 2022 bei. Dieser habe große Mengen Wasserdampf in die Stratosphäre befördert. Zudem schwanke die Strahlung der Sonne in einem Zyklus von elf Jahren. Da sie gerade auf dem Weg zu einer starken Phase sei, könne grob ein weiteres zwanzigstel Grad hinzukommen. Gößling: „Ich rede über kleine Effekte, aber die können sich läppern.“

Rekordwerte seit Aufzeichnungsbeginn

Auch Gößling stimmt seinen Kollegen dabei zu, dass der Einfluss der Menschen die Hauptursache für die Erwärmung ist. Die Konzentrationen der Haupttreibhausgase Kohlendioxid, Methan und Lachgas in der Atmosphäre erreichten 2022 laut Weltwetterorganisation Rekordwerte seit Aufzeichnungsbeginn. Meeresdaten zeigen laut Gößling klar eine relativ kontinuierliche Zunahme der Wärmemenge, die von den Ozeanen aufgenommen worden ist.

„Wir haben 1,2 Grad Erwärmung im globalen Mittel beobachtet und die Kontinente haben sich im Schnitt bereits um mehr als zwei Grad erwärmt“, sagte Levermann. Mit der Erwärmung der Meere dehnt sich das Wasser darin aus. Zusammen mit der Eisschmelze lasse das den Meeresspiegel immer rascher steigen, so Levermann: „Am Anfang des letzten Jahrhunderts hatten wir rund einen Zentimeter pro Jahrzehnt Meeresspiegelanstieg, am Anfang dieses Jahrhunderts rund drei und jetzt mittlerweile schon etwa fünf.“

Auch die Ökosysteme im Meer leiden unter den steigenden Temperaturen, betont Levermann, denn sie bringt Nahrungsketten durcheinander.

Außerdem ist mit mehr zerstörerischeren Extremwetterereignissen zu rechnen: Ozeanforscher Latif wies darauf hin, dass Starkregen häufiger werden könnte, weil mehr Wasser verdunstet und wärmere Luft mehr Wasserdampf halten kann, der irgendwann als Niederschlag herunterkommt.