In den USA spricht man nicht gerne über die Untaten der Vergangenheit. So wird auch der Umgang mit Native Americans sowohl in den Medien als auch in der Politik oft unter den Teppich gekehrt und selten bis nie aufgearbeitet. Ob das Massaker von Wounded Knee, bei dem 300 Angehörige des indigenen Sioux-Stammes von der Kavallerie ermordet wurden oder eben die Osage-Morde, in der amerikanischen Reflexion kommen diese nationalen Tragödien kaum vor.

Peter Schwarzbauer, Obmann des Arbeitskreises Indianer Nordamerikas in Wien, hat sich am Umgang der USA mit seinen indigenen Völkern bis heute wenig geändert: „Ihnen wurde immer der Boden unter den Füßen weggezogen, sodass sie nie eine eigenständige Wirtschaft entwickeln konnten“, verweist Schwarzbauer auf die ewige Rohstoffausbeutung der Ureinwohner durch das weiße Amerika. Lediglich die Ressourcen, um die Ureinwohner auf ihrem Land gebracht werden, haben sich im Laufe der Zeit verändert.

Erste Oscar-Nominierung für US-indigene Schauspielerin 

2023 brachte Martin Scorsese seinen Film „Killers of the Flower Moon“ über die Osage-Morde nach dem gleichnamigen Buch des amerikanischen Journalisten David Grann in die Kinos. Der Film wurde vergangenen Dienstag zehnmal für einen Oscar nominiert und geht damit als Mitfavorit in die Verleihung. Lily Gladstone schrieb mit ihrer Darstellung im Film Geschichte und wurde für ihre Rolle als erste indigene US-Schauspielerin für die Goldstatue nominiert.

Lily Gladstone gewann für ihre Rolle in „Killers of the Flower Moon“ bereits einen Golden Globe
Lily Gladstone gewann für ihre Rolle in „Killers of the Flower Moon“ bereits einen Golden Globe © AP / Chris Pizzello

Der Film beleuchtet die Ereignisse in Oklahoma zwischen 1921 und 1926, bei denen rund 60 Angehörige des Osage-Stammes unter mysteriösen Umständen ums Leben kamen. Später stellte sich heraus, dass die meisten Opfer von weißen Tätern systematisch ermordet worden waren. Das ergaben die Ermittlungen einer damals weitgehend unbekannten Polizeibehörde, dem heutigen FBI.

Die weltweit reichste Nation pro Kopf 

In den 1870er Jahren wurden die Osage von weißen Siedlern aus Kansas vertrieben und fanden im Nordosten Oklahomas Zuflucht in einem scheinbar wertlosen Reservat. Später stellte sich heraus, dass dieses Land eines der größten Ölvorkommen der USA beherbergte. Unternehmen zahlten dem Stamm daraufhin hohe Summen für das Recht, das Öl zu fördern. In den 1920er Jahren erreichten die Osage dank des boomenden Ölmarktes ein Vermögen von etwa 400 Millionen Dollar und galten pro Kopf als die reichsten Menschen der Welt.

Dieses Land machte die Osage einst zu den reichsten Menschen der Welt
Dieses Land machte die Osage einst zu den reichsten Menschen der Welt © AFP / Chandan Khanna

Dieser Reichtum erregte den Neid der weißen Bevölkerung. Der US-Kongress erklärte die Osage aufgrund ihres opulenten Lebensstils für finanziell inkompetent und schränkte ihre Autonomie deutlich ein. Ab 1921 musste jedes Stammesmitglied gesetzlich einen weißen Vormund ernennen, der Zugriff auf ihre Ölgelder bekam. Dies führte dazu, dass weiße Männer sukzessiv nach Osage County zogen und in Osage-Familien einheirateten, um beim Tod eines Familienmitglieds Anspruch auf das gesamte Vermögen zu haben.

Der „Reign of Terror“ gegen die Osage 

Mit der Verabschiedung dieses Gesetzes begann eine beispiellose Mordserie an den Osage. Drahtzieher vieler dieser Morde war William K. Hale, ein reicher Viehzüchter, der sich selbst als „König der Osage Hills“ bezeichnete und sich als Verbündeter des Stammes ausgab. Er lernte ihre Sprache, nahm an ihren Zeremonien teil und ließ seinen Neffen in eine wohlhabende Osage-Familie einheiraten, die wenig später fast vollständig ausgelöscht wurde. Mehrere Dutzend Osage wurden zwischen 1921 und 1926 ermordet. Diese Zeit wird im Stamm bis heute als „Reign of Terror“ bezeichnet.

William K. Hale gilt als Hauptverantwortlicher für eine Vielzahl der Morde an den Osage
William K. Hale gilt als Hauptverantwortlicher für eine Vielzahl der Morde an den Osage © Screenshot / Twitter

Der erste große Fall des FBI 

Die Osage versuchten mehrmals mit Hilfe privater Ermittler die Wahrheit über die Morde herauszufinden. Diese wurden jedoch von Hale und seiner Bande mit Gewalt vertrieben oder bestochen. Erst 1927 gelang es dem Polizisten Tom White vom damals noch unbekannten Bureau of Investigation, einer 1908 gegründeten Sicherheitsbehörde, die Morde aufzuklären. White gelang es, einige von Hales Komplizen zu Aussagen zu bewegen, die zu einer lebenslangen Haftstrafe für Hale führten, aus der er einige Jahre später wegen guter Führung wieder entlassen wurde. Der damalige Direktor der Behörde, J. Edgar Hoover, nutzte den Fall in der Folge, um die Organisation als FBI im amerikanischen Rechtssystem zu etablieren. 

J. Edgar Hoover nutzte die Osage-Morde, um das FBI im amerikanischen Rechtssystem zu profilieren
J. Edgar Hoover nutzte die Osage-Morde, um das FBI im amerikanischen Rechtssystem zu profilieren © AP

Aus Fehlern der Vergangenheit kaum etwas gelernt

Die Osage verloren durch die Morde den Großteil ihres Reichtums und tragen das Trauma auch 100 Jahre nach den Ereignissen mit sich herum, das den Stamm für immer überschatten wird. Da Tragödien wie die Osage-Morde in den Nachwehen kaum reflektiert wurden, leiden indigene Völker bis heute unter permanenter Unterdrückung und Ausbeutung ihrer Ressourcen.

Ob sich die Situation seitdem besserte, hängt für Peter Schwarzbauer nicht von der gestiegenen Akzeptanz der Amerikaner für die indigene Bevölkerung ab, sondern vielmehr von den politischen Entscheidungsträgern. „Trump war für alles, was mit Energie und so zu tun hat und ist instrumentell gegen das, was indigene Völker zum Überleben brauchen würden“, urteilt Schwarzbauer über den Umgang des ehemaligen Präsidenten mit Indigenen. Der aktuelle Präsident Joe Biden bemühe sich mehr um bessere Lebensbedingungen für Native Americans. So sitzt mit Innenministerin Deb Haaland aktuell die erste indigene Frau in einem US-Ministerium.