WIE IM ECHTEN LEBEN
Bewertung: ****

Ihr Lebenslauf ist kurz. Eine Frau mittleren Alters sucht einen Job. Sie wäre Hausfrau gewesen, sei nach der Scheidung auf Jobsuche. Die Ausgangssituation mag wie der Beginn eines Sozialdramas klingen, im Film von Emmanuel Carrère wird die Fassade aber bald als geschickt eingefädelte Täuschung enthüllt. Marianne (Juliette Binoche) ist erfolgreiche Autorin, die für ein Buch recherchiert. Um den täglichen Kampf der Arbeiterklasse am eigenen Leib zu erfahren, schleust sie sich direkt ins Prekariat ein: eine Gruppe von Reinigungskräften. Das authentische Milieudrama übt bissige Kritik an den Arbeitsbedingungen, der Armutstourismus der Hauptfigur wird an den Pranger gestellt. Unversöhnliche Abrechnung. (pog)

TAUSEND ZEILEN
Bewertung: ***

Journalismus ist harte Arbeit. Das weiß Juan Moreno nur zu gut. Auf seinem Sachbuch "Tausend Zeilen Lüge. Das System Relotius und der deutsche Journalismus" baut nun der Spielfilm "Tausend Zeilen" auf. Moreno heißt darin Romero. Erfunden sind seine sowie die anderen Figuren aber nicht. Damit ist der Streifen den vermeintlichen Reportagen des gefeierten und vielfach ausgezeichneten Jungjournalisten Claas Relotius, der als Filmfigur Lars Bogenius heißt, schon einmal um einiges voraus.
Denn der talentierte Hochstapler hatte unzählige seiner Artikel für das deutsche Wochenmagazin "Der Spiegel" (im Film "Die Chronik") erfunden. Nun ist sein Name ein Synonym für strukturelle Probleme – und für pauschale Medien-Vorwürfe, die oft zu weit führen.
Regisseur Michael Bully Herbig greift diese reale Geschichte auf. (maw)
Eine ausführliche Kritik zum Film lesen Sie hier.

INTO THE ICE
Bewertung: ****

Ein Professor als Eiskletterer ist einer von drei Protagonisten in "2Into the Ice". Alun Hubbard erforscht riesige Löcher im Eis. Grönland ist die Front im wissenschaftlichen Wettlauf mit dem Klimawandel. Regisseur Lars Ostenfeld begleitet die drei Forscher Hubbard, Dorthe Dahl-Jensen und Jason Box bei ihrer gefährlichen Arbeit. Er findet bildgewaltige, meditative Eindrücke zu den wohldosierten Erklärungen. Im Finale traut er sich selbst "ins schmelzende Herz des Klimawandels". Eisig schön. (maw)

SMILE
Bewertung: ***

Seit Beginn des Kinos war Horror stets ein Ventil für allegorische Erzählungen. Dieses Stilmittel macht sich Parker Finn in seinem Debütwerk zunutze – mit sinistren Ergebnissen. Psychologin Rose (Sosie Bacon) wird Zeugin eines traumatisierenden Suizids. Der finale Gesichtsausdruck der jungen Patientin, die meinte, von mysteriösen Mächten verfolgt zu werden: ein höllisches Lächeln. In Folge des Vorfalls fühlt sich Rose jedoch auch selbst von Dämonen heimgesucht. Sie droht an ihren Eingebungen zu zerbrechen. Anhand von überdeutlichen Metaphern beschäftigt man sich hier mit der Stigmatisierung psychischer Probleme und dem langwierigen Prozess der Traumabewältigung. Rein oberflächlich punktet der Gruselfilm mit raffiniert aufgebauten Schockmomenten, die in ihrer Radikalität durch Mark und Bein gehen. Wenig subtiler, aber effektvoller Mainstream-Horror mit Albtraum-Potenzial. (pog)