Black Tie Dinner steht in der Einladung. Und ausgenommen von meiner Bedeutungslosigkeit haben sich alle daran gehalten: So bin ich der einzige schwarze Anzug unter geschätzten 200 Smokings, aber die Wächter des Earls sind gnädig, ich werde eingelassen und darf schon einmal am Champagner nippen. Später finde ich mich in einem porzellangeschirrgetäfelten Erkerzimmer namens Yellow Card Room wieder, alles sehr edel und würdig, bloß die aufgetragenen Speisen fallen etwas aus dem Rahmen: Den Küchenchef der Lordschaft zu fragen, was er von Beruf ist, geziemt sich nicht.

Das Festival begann mit einem Feuerwerk
Das Festival begann mit einem Feuerwerk © FOS

Der Rest des Abends entschädigt dafür: Die offizielle Präsentation der traditionellen Skulptur vor dem Goodwood House ist der gesellschaftliche Höhepunkt des dreitägigen PS-Festivals, der blaublütige Hausherr erscheint und spricht, und es gibt ein Feuerwerk, das das herrschaftliche Anwesen und die spektakuläre Skulptur minutenlang illuminiert.

Das vom Briten Gerry Judah geschaffene Kunstwerk, Central Feature genannt, ist die größte Skulptur, die jemals in Goodwood für die PS-Sause aufgebaut wurde. Einer Himmelsstiege gleich ragt das aus 418 Stahlträgern bestehende und 120 Tonnen schwere Gebilde 40 Meter in die Höhe und trägt – einem Eskimo-Twinni ähnlich – an der Spitze zwei Mazda-Rennwagen. Die Japaner sind heuer Hauptsponsor des Festivals, dafür sind kolportierte drei Millionen Euro auf das Konto des Earls zu überweisen.

Der Lord auf Speed: Charles Gordon-Lennox, der Earl of March und Kinrara
Der Lord auf Speed: Charles Gordon-Lennox, der Earl of March und Kinrara © (c) Drew Gibson/FOS

Charles Gordon-Lennox, der Earl of March und Kinrara, auf dessen weitläufigen Ländereien südlich von London das Hochamt der Rasanz seit 1993 einmal jährlich stattfindet, ist ein geschäftstüchtiger Mann. Doch der 10. Duke of Richmond, der optisch als Zwillingsbruder von Hugh Grant durchgeht, ist auch das, was man in England einen „Petrol Head“ nennt. In der Szene hochgeschätzt, schuf der Edelmann ein unvergleichliches PS-Fest, gegen das die Formel 1 ein Kindergeburtstag ist.

Nico Rosberg in seinem Formel-1-Boliden von 2013
Nico Rosberg in seinem Formel-1-Boliden von 2013 © (c) Marcus Dodridge/FOS

Die Besonderheit des „Festival of Speed“ ist die schrille Mixtur an Typen und kostbaren Autos. Drei Tage lang dreht sich alles um Motorsport von gestern, heute und morgen, und wenn sich Hunderte Renn- und Sportwagen aller Epochen aufwärmen, kreischt und qualmt es im Garten hinter jedem Buschen. Dazu gibt es einen hochwertigen Kirtag, Shows, Ausstellungen, Auktionen und Aktivitäten von Automobilherstellern, die diese Bühne gerne für Weltpremieren nutzen: 500.000 Besucher an einem Wochenende hätte so mancher Autosalon gerne.

Zwischendurch schaut die Royal Air Force mit ihren Tornados vorbei, die Prominenz kommt im Minutentakt per Helikopter. Konzernbosse und die besten Lenkraddreher erweisen dem Earl die Ehre, es wimmelt nur so von Weltmeistern und Legenden, die Le-Mans-Helden sind da und das halbe GP-Pilotenfeld, das man für 80 Pfund Eintritt hautnah wie nirgends erlebt.

Das Schaulaufen der Kostbarkeiten auf der Hillclimb-Strecke
Das Schaulaufen der Kostbarkeiten auf der Hillclimb-Strecke © (c) Drew Gibson/FOS

Der Leckerbissen des lautstarken Festivals ist der 1,86 Kilometer lange „Hill Climb“, der eigentlich ein Schaulaufen von Prototypen, Exoten und kostbaren Oldtimern ist. Wenn aber die Uhr läuft, geht es zwischen den Strohballen auch resch zur Sache. Den Rekord hält immer noch ein Formel-1-Auto. Kimi Räikkönen malte heuer vor dem Goodwood House mit einem Ferrari von 2010 lieber einige Donuts auf den Asphalt – das Partyvolk in den Liegestühlen klatschte ergriffen.