Die Zukunft fährt bei der Detroit-Autoshow leise auf die Bühne. "The next big thing", präsentiert von der Chefin höchstpersönlich - sie heißt Mary Barra, ist die mächtigste Frau der Autobranche und Chefin der Opel-Mutter General Motors (GM). Im dunklen Businesslook erklärt sie den neuen Chevrolet Bolt: ein Elektroauto, das aussieht wie ein auf schick getrimmter BMW i3. Der Bolt wird über 320 Kilometer Reichweite haben (mehr als der i3) und etwa 25.000 Euro kosten - was günstiger als der i3 wäre.

Es ist eine Kampfansage, mit der niemand gerechnet hatte. Während sich die Amerikaner angesichts der sinkenden Ölpreise wieder fetten Pick-ups, großen SUVs und dem PS-Rausch auf der größten Autoshow Amerikas hingeben, mutiert ein Elektroauto zum Star der Autoparty und wird zur Überraschung schlechthin. Barra sagt: "In den nächsten fünf bis zehn Jahren wird sich in der Autoindustrie mehr verändern als in den vergangenen 50 Jahren. Und der Bolt ist kein Experiment, sondern ein Elektroauto für die Wirklichkeit."

Bolt: der kompakte Stromer sorgte in Detroit für Aufsehen
Bolt: der kompakte Stromer sorgte in Detroit für Aufsehen © (c) APA/EPA/LARRY W. SMITH (LARRY W. SMITH)

Tatsächlich ist er mehr als ein Experiment. Der Bolt ist auch ein Befreiungsschlag. Denn GM, der wieder erstarkte Autogigant, wurde zuletzt von Fehlern aus der Vergangenheit erschüttert. Defekte Zündschlösser, Zwischenfälle, Klagen, Rückrufaktionen - Barra musste aufräumen, Topmanager feuern sowie Milliarden für Entschädigungen bereitstellen. Der Bolt soll wohl auch den Weg in eine bessere Zukunft weisen.

Barra lobt Opel

Aber nicht nur der Bolt (inoffiziellen Quellen zufolge ab 2017 startbereit) ließ die Autobranche aufhorchen: Barra bezeichnete Opel als Vorbild für alle GM-Konzernmarken. "Die Marke Opel ist wieder auferstanden und hat eine große Zukunft. Sie zeigt, wohin sich der Konzern bewegt." Die Vernetzungen sind weitreichend: Opel bringt zum Beispiel das elegante Cabrio Cascada in die USA - unter dem Label der GM-Tochter Buick.

GM verkaufte 2014 weltweit 9,92 Millionen Autos, in Detroit zeigten die Tochtermarken auch ihre unterschiedlichen Zukunftsstrategien. Wie weit Opel in der Elektrostrategie mitzieht und den Bolt auch nach Europa bringt, bleibt offen. Der neue Chevy Volt (E-Auto mit Benzinmotor als Reichweitenverlängerer) kommt vorerst nicht nach Europa.

Google auf Kuschelkurs

Für eine weitere Überraschung in Detroit sorgte dann Google: Der Internetgigant möchte ja ein selbst fahrendes (autonomes) Auto auf den Markt bringen. Während man zuerst die großen Autokonzerne außer Acht ließ, kündigte man jetzt einen Kurswechsel an. "Es wäre nachlässig, nicht mit den größten Autoherstellern zu sprechen", erklärte Chris Urmson, Chef des Projekts bei Google. Als mögliche Partner genannt: General Motors, Ford, Toyota, Daimler, VW.

Der Google-Prototyp ohne Lenkrad, Gas- und Bremspedale - aber mit einem E-Motor - wird von Sonderhersteller Rush in Detroit gebaut. 150 Prototypen sollen noch 2015 auf die Straßen kommen. Serienreife? Ab 2020, aber wohl mit Gas- und Bremspedalen - aufgrund der Sicherheitsvorschriften.

Der Kampf der Autogiganten um das selbst fahrende Auto ist ja längst eröffnet: Audi, Mercedes, BMW testen eifrig, Mercedes holte seinen F015 mit Lounge-Innenausstattung und den drehbaren Sitzen auch nach Detroit.

Zukunft a la Mercedes: F015 mit Lounge-Innenausstattung und drehbaren Sitzen
Zukunft a la Mercedes: F015 mit Lounge-Innenausstattung und drehbaren Sitzen © (c) APA/EPA/LARRY W. SMITH (LARRY W. SMITH)

Überraschende Höhepunkte der Autoparty in Detroit? Der atemberaubende Ford GT als Ferrari-Jäger und mehr als 600 PS; Mercedes zog die Blicke mit dem neuen GLE Coupé auf sich; Audi zeigte den neuen Q7 fast 325 kg leichter und mit Plug-in-Hybrid; BMW machte mit der neuen 6er-Familie eine Familienaufstellung der anderen Art; VW - zuletzt in den USA gescholten - versucht mit dem Midsize-SUV Cross Coupé Stimmung in den Staaten zu machen.

Bei den präsentierten Verkaufszahlen war VW-Chef Martin Winterkorn wohl besonders gut gelaunt. Der VW-Konzern hat 2014 erstmals mehr als zehn Millionen Fahrzeuge weltweit verkauft. Damit wurden die Verkäufe in den letzten zehn Jahren nahezu verdoppelt.