Wer findet nicht gern Dinge, die er gar nicht sucht? Orhan Pamuk, dem Literaturnobelpreisträger aus Istanbul, fallen sie regelrecht zu.

Deshalb hat er sich schon vor mehr als zehn Jahren ein verfallenes Haus in seiner Heimatstadt gekauft, weil nicht nur der Mensch, sondern auch jedes Ding einen Ort braucht. Da Pamuk vom Nobelpreis noch mehrere Jahre entfernt war, musste er für seinen Plan sein noch nicht einmal veröffentlichtes Buch "Istanbul" verpfänden, um Geld von der Bank zu bekommen. Und er begann mit einem Projekt, das wohl einzigartig ist in der Welt: Während er an seinem Roman "Museum der Unschuld" schrieb, entwickelte er parallel dazu sein gleichnamiges Museum, das seit Kurzem geöffnet hat.

Pamuk hat aus dem verfallenen Haus mithilfe eines befreundeten deutschen Architektenteams (Sunder-Plassmann Architekten) ein Schmuckstück geschaffen. Besser gesagt: eine Schmuckschatulle, für all die Schätze - und Sätze - die der Schriftsteller gesammelt hat, von denen im Roman die Rede ist, rund um Kemal und seine verlorene Liebe Füsün.

Die 4213 Zigarettenkippen etwa, die Füsün geraucht hat, und die fein säuberlich katalogisiert, wie aufgespießte exotische Insekten aussehen. Kemal findet Trost im Sammeln von Dingen, die ihn an seine Liebe erinnern.

Cukurcuma

Die Straßen sind eng im beinahe touristenfreien Istanbuler Stadtteil Cukurcuma (sprich: Tschukurtschuma), wo Pamuks karminrotes und ebenso schmales wie frisch poliertes Haus anmutig heraussticht.

Im Innern herrscht eine ruhige, feierliche Stimmung, und man ist fast geneigt, die Schuhe auszuziehen, wie beim Betreten einer Moschee. "Bitte leise sein", steht auf einem Schild im Foyer. Als ob Kemal und Füsün nicht gestört werden sollten.

Die Schaukästen aus schwerem, dunklen Holz sind über drei Etagen verteilt, darin liegen Taschentücher, Streichholzschachteln, leere Flakons, ein Schuh, Gläser, Rakiflaschen, ein Vogelkäfig, eine Wanduhr... Alltagsgegenstände, Nippes, Banales.

Dinge, wie sie Menschen beim Entrümpeln ihres Kellers wegwerfen oder bestenfalls zum Flohmarkt bringen. Pamuk hat all das über Jahre hinweg gesucht, gesammelt, gefunden und zu Stillleben arrangiert, wie man sie von flämischen Meistern des 17. Jahrhunderts kennt. Man schaut und staunt. Man schnuppert und lauscht, denn Pamuk ist nicht nur ein Maler der Wörter. Er spielt auch als Kurator mit Verve auf dem Klavier der Imagination, wenn aus den Lautsprechern über den Vitrinen plötzlich Vögel zwitschern, Möwen kreischen, Bosporus-Schiffe brummen, der Regen auf das Istanbuler Katzenkopfpflaster tropft.

"Ich will Empfindungen ausstellen, keine Dinge", erklärt Pamuk seinen Wunderladen. Das ist ihm gelungen. Denn so sinnlich, wie Pamuk schreibt, hat er auch sein Museum aufgebaut. Und er hat dem scheinbar Banalen die Magie zurückgegeben. Museum der Unschuld (Masumiyet Müzesi): Firuzaga Mahallesi, Cukurcuma Caddesi 24, Beyoglu-Istanbul.