Das österreichische Parlament hat am Freitag zu seiner traditionellen Gedenkveranstaltung gegen Gewalt und Rassismus im Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus geladen. Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) warnte in seiner Ansprache vor dem Aufkeimen eines neuen Antisemitismus in Europa und der Welt. Das dürfe man "nicht achselzuckend zur Kenntnis nehmen, sondern man muss diesen Bodensatz bekämpfen".

Sobotka erinnerte daran, "dass es die Entmenschlichung war, die am Beginn der NS-Herrschaft gestanden ist" und diese Entmenschlichung vom "Anschein der Rechtsstaatlichkeit begleitet wurde". Aus diesem Grund "dürfen wir nicht zulassen, dass das Vertrauen in den Rechtsstaat" unterminiert werde.

An dem Festakt nahmen neben Nationalrats-, Bundesrats- und EU-Abgeordneten mehrere Regierungsmitglieder angeführt von Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) sowie Vertreter der Oppositionsparteien teil. Anwesend waren zudem Zeitzeugen und Überlebende sowie Vertreter der Höchstgerichte und der Religionsgemeinschaften. Auch der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG) Oskar Deutsch wohnte dem Festakt bei und nahm damit doch an einer Veranstaltung mit FPÖ-Politikern teil. Die IKG wollte eigentlich im heurigen Gedenkjahr Gedenkveranstaltungen mit FPÖ-Beteiligung boykottiert.

Zahlreiche Veranstaltungen folgen

Der heutige Gedenkakt ist der Auftakt von einem Reigen an Gedenkveranstaltungen. Sonntagfrüh findet eine Kranzniederlegung vor dem Hrdlicka-Mahnmal gegen Krieg und Faschismus am Helmut-Zilk-Platz mit Bundespräsident Alexander Van der Bellen, Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Vizekanzler Strache statt. Wenige Stunden später findet in der KZ-Gedenkstätte Mauthausen eine Gedenkzeremonie sowie eine Befreiungsfeier statt.

Nächste Woche lädt dann das Bundeskanzleramt Dienstagvormittag zu einem Festakt zum Gedenken an die Befreiung vom Nationalsozialismus und an die Beendigung des Zweiten Weltkrieges. Am Abend findet am Heldenplatz das "Fest der Freude" mit einem Konzert der Wiener Symphoniker statt.

Ohrfeige für die FPÖ

Für stürmischen Applaus und Standing Ovations hat die Rede des Schriftstellers Michael Köhlmeier beim Gedenkakt des Parlaments Freitagmittag gesorgt. Köhlmeier schenkte dabei der FPÖ ordentlich ein und warf ihr Heuchelei im Umgang mit den Juden vor.

Er fühle sich von Nationalratspräsident Sobotka, der in seiner Rede gemeint hatte, dass man Dinge beim Namen nennen müsse, ermutigt und werde genau das tun, eröffnete Köhlmeier seine Rede. "Erwarten Sie nicht von mir, dass ich mich dumm stelle."

Er höre die NS-Opfer, deren Geschichte heute von Jugendlichen erzählt wurden, fragen: "Was wirst du jenen sagen, die einer Partei angehören, deren Mitglieder den Nationalsozialismus verharmlosen oder antisemitische Meldungen abgeben. (...) Wirst du so tun, als wüsstest du nicht, was gemeint ist, wenn sie ihre Codes aussprechen und von gewissen Kreise an der Ostküste sprechen" und Verschwörungstheorien verbreiten.

"Stichhaltige Gerüchte"

"Der Begriff des 'stichhaltigen Gerüchts' wird ins Wörterbuch der Niedertracht und Verleumdung kommen", so Köhlmeier in Anspielung auf die Aussagen des FPÖ-Klubobmanns Johann Gudenus, wonach es "stichhaltige Gerüchte" gibt, dass der ungarischstämmige US-Milliardär George Soros daran beteiligt sei, "Migrantenströme nach Europa zu unterstützen". Gudenus selbst nahm ebenfalls an der Veranstaltung teil.

"Gehörst du zu jenen, die abgestumpft sind", höre er die Toten fragen. "Zum großen Bösen kamen die Menschen nie in einem Schritt, sondern in vielen kleinen. Zuerst wird gesagt, dann wird getan. (...) Wirst du es dir gefallen lassen, wenn ein Innenminister davon spricht, dass Menschen konzentriert gehalten werden sollen." Es sei unglaubwürdig von der FPÖ, wenn sie sich als Beschützerin und Verteidigerin der Juden aufspielt und gleichzeitig die rechts-extreme Aula unterstützt, in der befreite Häftlinge des Konzentrationslagers als "Landplage" bezeichnet wurden. "Wer das glaubt, ist ein Idiot oder er tut so als ob, dann ist er ein Zyniker", so Köhlmeier.

Er möchte sich und den Jugendlichen, die sich eindringlich mit den Schicksalen der Opfer beschäftigt haben, in die Augen sehen können. "Mehr habe ich nicht zu sagen", schloss Köhlmeier und erntete stürmischen Applaus von den Festgästen.

Auch Kurz musste einstecken

Der Schriftsteller Köhlmeier hat in seiner Rede bei der NS-Gedenkveranstaltung des Parlaments auch Bundeskanzler Kurz (ÖVP) attackiert. "Es hat auch damals schon Menschen gegeben, die sich damit brüsteten, Fluchtrouten geschlossen zu haben", so Köhlmeier in Anspielung darauf, dass Kurz immer wieder gerne betont, die Balkan-Route geschlossen zu haben.

FPÖ reagiert mit Gegenangriff

Die FPÖ hat auf die Abrechnung des Schriftstellers Köhlmeier mit der Partei erbost reagiert. Klubobmann Walter Rosenkranz und der Abgeordnete David Lasar bezeichneten Köhlmeier als selbstgerecht und warfen ihm vor, die Gedenkveranstaltung desavouiert zu haben.

"Köhlmeier ist seit Jahren dafür bekannt, dass er seine persönlichen und politischen Aversionen gegen die FPÖ bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit von sich gibt. Daher darf es auch nicht verwundern, dass er diese heutige Bühne hochmütig missbraucht hat. Dass er dabei die Ungeheuerlichkeit des Holocaust verharmlost und gleichzeitig eine Million österreichische Wählerinnen und Wähler pauschal verunglimpft, ist ein entbehrlicher Beitrag zur weiteren Spaltung der Gesellschaft in Österreich, die er selbst kritisiert."

"Dem heutigen Gedenktag hat Köhlmeier einen Bärendienst erwiesen, auch wenn ihn seine Claqueure dafür abfeiern. Vielen Ehrengästen war die Empörung sichtlich anzusehen und sie applaudierten demonstrativ nicht", so die FPÖ-Politiker in einer Aussendung.