Beim vorgelegten Plan dazu gebe es auch innerhalb der SPÖ und der Gewerkschaft Kritik, "das weiß ich". Es gehe aber um die Frage, wie man Frauen gerechter behandeln könne. "Wir haben die Situation, dass über 300.000 Menschen, zwei Drittel davon Frauen, mit weniger als 1500 Euro brutto entlohnt werden, dann müssen wir das Tempo erhöhen, um gerechte Löhne herzustellen", so Kern in der ORF-Pressestunde. Die Gewerkschaft würde das "exzellent" machen. Aber beim Tempo gehe ihm "ein bisschen die Geduld aus". Man brauche einen Generalkollektivvertrag, es gebe dazu Verhandlungen zwischen Gewerkschaft und Wirtschaftskammer. "Wir werden schauen, ob es da zu Ergebnissen kommt, wenn nicht, müssen wir hier gesetzliche Maßnahmen in Erwägung ziehen." Wie lange gibt er der Gewerkschaft dazu noch Zeit? 2017 sei ein gutes Datum, diese Frage zu lösen.

"Machen wir das am Dienstag"

Jene Punkte, bei denen es Konsens mit der ÖVP gehe, könnten schon nächsten Dienstag im Ministerrat angegangen werden, sprach der SPÖ-Chef etwa die Abschaffung der Selbstbehalte für Selbstständige in der Krankenversicherung an.

Spielraum zeigte der Kanzler, was die von ihm angestrebte Wahlrechtsreform in Richtung Mehrheitswahlrecht angeht. Sein Modell, den Regierenden einen Bonus zu geben, indem auch die Minister im Nationalrat stimmberechtigt wären, sei nur ein möglicher Vorschlag. Auch die Idee des Juristen Klaus Poier, der der stärksten Fraktion 50 Prozent plus ein Mandat geben würde, erscheint ihm interessant, wiewohl ebenfalls nicht ohne Tücken.

"Fischer könnte hervorragenden Beitrag leisten"

Kern kann sich vorstellen, dass in dieser Debatte auch Alt-Bundespräsident Heinz Fischer "einen hervorragenden Beitrag leisten könnte". Umsetzen will der Kanzler die Wahlrechtsreform jedenfalls bereits bis zur nächsten Nationalratswahl, die nach seiner Vorstellung wie geplant erst im Herbst 2018 stattfinden soll. Bis dahin habe man ja einen Vertrag mit der ÖVP. Zudem sei das Verhältnis zu Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP) exzellent.

Bis dahin will Kern auch die Frage der Freizügigkeit am Arbeitsmarkt gelöst haben. Konkret plädierte er neuerlich dafür, im Zuge der "Brexit"-Verhandlungen eine Regelung zu finden, wonach nicht mehr Arbeitnehmer aus allen EU-Staaten in sämtlichen Sektoren auf den österreichischen Arbeitsmarkt strömen können. Es werde zwar eine schwierige Auseinandersetzung, doch die Entsolidarisierung in Europa sei nicht mehr hinnehmbar.

Von Halbierung der Obergrenze hält Kern nichts

Nichts hält Kern von der Forderung der ÖVP, die Obergrenze für Asylanträge gegenüber der ursprünglichen koalitionären Vereinbarung zu halbieren. Diese willkürliche Zahl bringe nichts. Was es vielmehr brauche seien Lösungen, wie Zuwanderung begrenzt werde und wie man abgewiesen Asylwerber aus dem Land bringen könne. Hier müsse sich der Außenminister engagieren.

Bestanden wurde vom SPÖ-Chef darauf, über-50-jährigen Langzeit-Arbeitslosen Jobs im sozio-ökonomischen Bereich zur Verfügung zu stellen. Allzu großen Zwang will er aber offenbar nicht ausüben: "Wenn sich jemand völlig entzieht, wird man da nicht weiterkommen." Bei den Unis bestand Kern trotz Kritik der eigenen Studentenschaft auf seinem System einer stärkeren Studienplatz-Finanzierung.

"An den Haaren herbeigezogener Unfug"

Nicht hineinziehen lassen wollte sich Kern in die von der ÖVP angezettelte Diskussion um den SPÖ-Berater Tal Silberstein, der "Dirty Campaigning" gegen Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) betreiben soll. Dies sei "an den Haaren herbeigezogener Unfug", meinte der Kanzler dazu. Auf die von VP-Generalsekretär Werner Amon am Sonntag neuerlich erhobenen Vorwürfe, dass gegen Silberstein ein Haftbefehl vorliege und er eine Ehrenerklärung des SPÖ-Chefs wolle, dass dieser den Berater nicht für "Dirty Campaigning" einsetze, wollte Kern nicht antworten.

FPÖ und Grüne lehnen Wahlrechtsideen ab

Kern wird Mühe haben, seine Vorschläge in Richtung Mehrheitswahlrecht umzusetzen. FPÖ und Grüne lehnten des Kanzlers neuerlichen Vorstoß ab, womit eine Verfassungsmehrheit derzeit außer Reichweite ist.

FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl meinte in einer Aussendung, Neuwahlen würden völlig reichen, um den unliebsamen Partner los zu werden. Das Ziel Kerns sei aber, die SPÖ auch bei Stimmenverlusten an der Macht zu halten und mit den Mandatsgeschenken eines Mehrheitswahlrechtes mit Grünen oder Neos einen Linksruck herbeizuführen.

Ein striktes Nein kam auch von Grünen-Bundessprecherin Eva Glawischnig. Von der Idee eines Mehrheitswahlrechts sollte sich Kern rasch wieder verabschieden: "Eine Nationalratswahl ist keine Kanzlerwahl. Die Zuspitzung auf ein Duell kann nach hinten losgehen, am Ende könnte Kern eine blaue Republik hinterlassen."

"Sozialistische Versorgungsgesellschaft"

Unterstützung erhält der SPÖ-Chef dafür seitens der Grünen, was einen höheren, allenfalls gesetzlich festgelegten Mindestlohn angeht: "2017 erwarten wir uns Taten statt Worte", schrieb Glawischnig in einer Aussendung. Damit befindet sie sich für einmal in einem Boot mit Team Stronach-Klubobmann Robert Lugar. "Wir haben schon so viele Pläne und Ankündigungen von Kern gehört, er soll jetzt endlich etwas umsetzen", meint Lugar in einer Aussendung.

Eine großteils kritische Bilanz unter die Aussagen Kerns zog NEOS-Wirtschaftssprecher Sepp Schellhorn. Unterm Strich präsentiere der Kanzler in erster Linie "Maßnahmen für eine sozialistische Versorgungsgesellschaft". Eine staatlich verordnete Vollbeschäftigung könne nicht funktionieren, und das Aushebeln europäischer Grundwerte beim Wunsch, die Personenfreizügigkeit einschränken zu wollen, sei mit freiem Handel und vor allem einem freien Europa absolut nicht vereinbar.

"Dynamik zu begrüßen"

Eher positiv äußerte sich die Industriellenvereinigung. Deren Generalsekretär Christoph Neumayer meinte, die neue Dynamik, die in die politischen Reformdiskussionen einzukehren scheine, sei sehr zu begrüßen und sprach dabei unter anderem die "Modernisierung und praxisgerechte Gestaltung von Arbeitszeitregelungen" sowie eine Entbürokratisierung an.