Die Karriere des gebürtigen Wieners reiht sich durchaus in eine gewisse österreichische Tradition ein. Mit Hannes Androsch (SPÖ) und Karl-Heinz Grasser (FPÖ/später ÖVP) gab es schon zwei Mal Jungstars, die sich früh mit geschliffener Rhetorik die Herzen von Volk und Medien zu erobern. Doch bis ganz oben haben es weder Androsch noch Grasser geschafft. Kurz geht es besser an.

Taktisch geschickt hat der heute 30-Jährige seine Karriere Schritt für Schritt aufgebaut und wartet gelassen auf den für ihn günstigsten Zeitpunkt, es einmal an der Spitze zu versuchen. Steine in den Weg würden ihm parteiintern wohl kaum gelegt werden. Kurz, wiewohl auch in den eigenen Reihen als Ich-AG mitunter kritisiert, gilt den Schwarzen derzeit als einziger potenzieller Heilsbringer.

Dabei begann für Kurz, Sohn einer Lehrerin und eines Ingenieurs, die ÖVP-Karriere durchaus holprig. Als er sich als Schüler bei der Jungen ÖVP Meidling bewerben wollte, riet man ihm dort davon ab. Er ließ sich nicht entmutigen, heuerte in einer anderen Bezirksorganisation an und schaffte es, mittlerweile Jus-Student, 2008 an die Spitze der Wiener Jungen ÖVP, die Bundesorganisation leitet er seit 2009.

Gefragt: Sebastian Kurz
Gefragt: Sebastian Kurz © APA/ROLAND SCHLAGER

Politisch auffällig wurde er erstmals 2008, als ihn der damalige Wiener Parteichef Johannes Hahn als Kandidaten für die Nationalratswahl auf die Liste nahm. Mit einem Mandat wurde es nichts, das holte er sich zwei Jahre später im Wiener Landtag nach einem eher grenzwertigen Wahlkampf, sein Geil-o-Mobil ist dank Kurz' späterer Karriere der wahrscheinlich bekannteste Polit-Bolide des Landes.

Damals hätte wohl kaum jemand vorausgesagt, dass jener frech bis präpotent auftretende Jung-Politiker sechs Jahre später bereits wohl eingesessener Außenminister sein wird, der in Wien den Gastgeber der Syrien-Friedensgespräche geben durfte und international zum Schließmeister der Balkan-Flüchtlingsroute ausgerufen wurde. Zu verdanken hat er das dem damaligen Vizekanzler Michael Spindelegger, der Kurz im April 2011 zur allgemeinen Überraschung nicht einmal 25-jährig zum Staatssekretär machte, und das auch noch im heiklen Integrationsbereich.

Viel Häme schlug dem Polit-Jungspund entgegen, doch Kurz bekehrte seine Kritiker rasch. Ihm zugeschrieben wurde eine Versachlichung der Integrationsdebatte. Er selbst präsentierte sich in der Sache firm, gab sich bescheiden und vermied Fehler. Schnell hatte nicht nur der Boulevard einen neuen Liebling gefunden. Was auch immer Kurz vorschlägt, es wird heute gerne medial transportiert. Überdies hat er sich mit einer viel-gelikten Facebook-Seite auch seinen eigenen PR-Kanal geschaffen.

Dennoch schluckte so mancher, als Kurz mit nicht einmal annähernd 30 zum Außenminister aufstieg. Ohne abgeschlossenes Studium und ohne jegliche außenpolitische Erfahrung würde selbst das Polit-Talent am Minoritenplatz an seine Grenzen stoßen, meinten Freunde wie Feinde. Der selbstbewusste Neo-Minister ließ sich davon nicht beirren. Forsch ging Kurz seine neue Aufgabe an und vollzog gleich die nächste Image-Korrektur.

2014 in der UNO, Treffen mit Generalsekretär Ban Ki-moon
2014 in der UNO, Treffen mit Generalsekretär Ban Ki-moon © APA/DRAGAN TATIC

Als die Flüchtlingswelle losging, gab der Außenminister den Mahner. Bis heute redet er einer gewissen Abschottung das Wort, da ansonsten die Integration der Asylsuchenden nicht funktionieren würde. Dass er gerade das besonders umstrittene australische Modell bewarb, war taktisch eine seiner schwächeren Leistungen. Kampagnisiert hat der Integrationsminister zwischenzeitlich gegen Islam-Kindergärten. Zuletzt legte Kurz auch noch mit dem Wunsch nach 1-Euro-Jobs für Flüchtlinge nach und überlegt, die Vollverschleierung in der Öffentlichkeit verbieten zu lassen.

Ähnlich offensiv geht er es in der Türkei-Politik an. Kurz scheut die Auseinandersetzung mit Ankara nicht, ist auch einer der Skeptiker des Flüchtlingsabkommens mit der Türkei. Seinen Beliebtheitswerten schadet all das nicht, kommen von ihm doch in der Regel mehrheitstaugliche Ideen. Kurz ist in so gut wie allen Politiker-Rankings ziemlich einsamer Spitzenreiter, was vor allem den Koalitionspartner ziemlich verdrießlich stimmt.

2015 bei Papst Franziskus
2015 bei Papst Franziskus © APA/DRAGAN TATIC

Wenn er will, wird Kurz also die ÖVP in die nächste Nationalratswahl führen, ist man sich inner- und außerhalb der Partei einig. Ob er allerdings will, ist eine andere Frage. Unangenehme Aufgaben zu übernehmen ist nicht seines, klagt man in der Volkspartei. So verweigerte er etwa die Übernahme der Wiener ÖVP, was angesichts von deren damaligem Zustand freilich niemanden überraschen durfte.

Statt selbst das Ruder zu übernehmen, setzte Kurz mit Gernot Blümel einen Vertrauten an die Spitze der Hauptstadt-Partei, was man durchaus als Teil seines Karriere-Puzzles sehen kann. Der stets joviale, dabei aber auch durchaus glatte Außenminister versteht es geschickt, Netzwerke zu basteln. Als Förderer hat er unter anderem den niederösterreichischen Landeshauptmann Erwin Pröll auserkoren, in der ÖVP keine schlechte Wahl.

Ob Kurz Kanzler kann, wird freilich nicht nur von ihm abhängen. Angesichts der Umfrage-Werte der Volkspartei würde es wohl auch für ihn schwer sein, die ÖVP an die Spitze zu führen. Insofern könnte Kurz, der seit vielen Jahren in einer fixen Beziehung lebt, seine 30er-Jahre auch dazu nützen, sein Studium zu beenden, in die Privatwirtschaft zu wechseln um später möglicherweise ein fulminantes Polit-Comeback zu feiern. Möglich ist in Sachen Kurz derzeit ziemlich viel.