Wien sei schmutzig, unsicher und höchst kriminell, und das nur wegen der Zuwanderer. Das behauptete der ungarische Kanzleramtsminister Janos Lazar in einem Video, das er in der Nacht auf Mittwoch auf seiner Facebook-Seite veröffentlichte. In dem Video drohte Lazar: Würde die Opposition am 8. April bei den Parlamentswahlen in Ungarn siegen, werde Budapest in 20 Jahren so aussehen wie Wien.

Lazar behauptete in dem wohl in der Favoritenstraße in Wien-Favoriten gedrehten Video, dass es vor 20 Jahren noch keinen Zuwanderer in diesem Bezirk gegeben hätte, heute hingegen nur noch Pensionisten die einzigen verbliebenen Österreicher seien. Er wollte nach eigener Aussage einige Zuwanderer fragen, wie es ihnen denn in Wien gefalle, doch "keiner antwortete, da keiner Deutsch sprach". Es gebe viele Wiener Schulen, in denen "bereits keine weißen Wiener Kinder mehr lernen, sondern nur noch muslimische Kinder und Kinder aus Nahost", meinte Lazar.

Die "weißen christlichen Österreicher" hätten diesen Stadtbezirk bereits verlassen, dessen Lenkung die Zuwanderer übernommen hätten und nach ihrem Gutdünken formten, behauptete Lazar weiter. "Ich konnte mich bei meinem Gang durch die Stadt von großer Unordnung, von viel Müll und Schmutz überzeugen, ebenso von der Angst, in der die Menschen leben." Wenn Ungarn die Zuwanderer reinlässt und diese "in unseren Städten leben, sind die Folgen Verarmung, Kriminalität, Schmutz und unmögliche Lebensumstände". Dieser Prozess sei nicht aufhaltbar, kämen die Zuwanderer nach Ungarn.

Am Mittwochvormittag war  das Video von Lazars Facebookseite verschwunden. Es ist nur noch ein zweites Video dort zu sehen, in dem Lazar an der österreichisch-ungarischen Grenze steht und ankündigt, bald einen Bezirk Wiens zu besuchen, der von den Einwanderern dominiert werde.

Das  Video wurde inzwischen nämlich  von Facebook gelöscht, ist aber noch auf mehreren Portalen zu sehen, etwa hier. Lazar forderte Facebook umgehend auf, das Video wieder in vollem Umfang einzustellen, da ansonsten sein "Recht auf Rede- und Meinungsfreiheit" beschnitten würde. Lazar  veröffentlichte den Screenshot einer Facebook-Mitteilung an ihn, aus dem hervorgeht, dass das soziale Netzwerk Beiträge entfernt, die Menschen etwa aufgrund ihrer ethnischen, nationalen oder religiösen Zugehörigkeit angreifen.

Österreichs Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) wurde nach dem Ministerrat gefragt, wie er dieses Video bewerte. Kurz antwortete, er habe es noch nicht gesehen, aber grundsätzlich sei "ein respektvolles Miteinander wichtig".

Wien zeigte sich empört über das Video. Die Wiener Wirtschaftsstadträtin Renate Brauner (SPÖ) meldete sich etwa via Twitter mit harscher Kritik. Als Stadträtin für Internationales und "stolze Wienerin" protestiere sie "auf das Schärfste" gegen die Darstellung ihrer Heimatstadt. 

"Wir sind verwundert und entsetzt, dass ein Politiker die Hauptstadt eines Nachbarlandes so herabwürdigt", kritisierte Brauner den Politiker der rechtsnationalen Regierungspartei Fidesz. Die Vorwürfe seien inhaltlich falsch und auf "traurige Weise fremdenfeindlich".

Persönlich könne sie Ungarn nur wünschen, dass die Städte dort so werden, wie Wien - die Stadt mit der weltweit höchsten Lebensqualität, fügte Brauner hinzu. Auch Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou (Grüne) übersandte dem Minister mittels Facebook-Posting "wienliebe" und "favoritenpride". Der Bezirksvorsteher von Favoriten, Marcus Franz (SPÖ), versicherte wiederum in einer Aussendung: "Favoriten ist ein wunderschöner Bezirk, in dem die Menschen sehr gerne leben. Die Kritik an meinem Heimatbezirk ist überzogen."

Auch für die FPÖ ist das Video "unangemessen"

Auch die FPÖ hat mit dem Kurzfilm keine Freude. Zwar hätten sich in den vergangenen Jahren unter der rot-grünen Rathaus-Koalition tatsächlich viele Dinge in die falsche Richtung entwickelt, befand der blaue Vizebürgermeister Dominik Nepp, aber das Video sei "unangemessen und im Sinne der an sich freundschaftlichen Beziehungen unter Nachbarländen nicht gerade ein Akt der Höflichkeit".

Das von Lazar dargelegte Szenario dürfte viele seiner Landsleute jedenfalls nicht davon abgehalten haben, in die österreichische Hauptstadt zu ziehen. Laut dem aktuellen Statistischen Jahrbuch lebten zuletzt (Stand Anfang Jänner 2017, Anm.) 21.343 Ungarn in Wien. Das ist ein deutlicher Anstieg im Vergleich zu 2011 - als nur 8.171 ungarische Staatsbürger hier wohnten.