Ob Bergrettung, Fußballklub, Sängerrunde, Flüchtlingshilfe, Feuerwehr, Theatergruppe oder Seniorenbetreuung: Freiwilliges Engagement in Vereinen und Organisationen wird in Österreich großgeschrieben. Die dabei erworbenen Kompetenzen sollen künftig auch bei Bewerbungen besser genutzt werden können. Dazu dient der "Österreichische Freiwilligennachweis", der diese Woche von Sozialminister Alois Stöger und Oberösterreichs Soziallandesrätin Birgit Gerstorfer (SPÖ) in Linz präsentiert wurde.

Bewerbungsunterlage und Wertschätzung

"Ein Viertel der Österreicher engagiert sich freiwillig in Organisationen und Vereinen, nimmt man die Nachbarschaftshilfe dazu, sind es sogar 46 Prozent", sagt Stöger. Das seien insgesamt mehr als 3,3 Millionen Menschen. Die Betroffenen würden dabei auch soziale Kompetenzen erwerben, die "am Arbeitsmarkt gut ankommen". Statt der wenig aussagekräftigen Worthülse "Ich bin teamfähig" in einem Motivationsschreiben beinhaltet der Freiwilligennachweis etwa eine nähere Angabe, dass und wie man sich diese Eigenschaft angeeignet hat. Nützen soll der Nachweis in erster Linie jungen Leuten sowie Menschen im Erwerbsalter, aber auch Pensionisten oder nicht Berufstätige können ihn anfordern, etwa um abzuklären, wohin sie sich in ihrem ehrenamtlichen Engagement entwickeln wollen. "Zudem ist es auch eine schöne Wertschätzung", meint Gerstorfer.

Zur Dokumentation von sozialen Kompetenzen wie Kreativität, Organisationstalent und Teamfähigkeit wird der Freiwilligennachweis vom Engagierten und dem Verein gemeinsam erstellt - "auf dialogischem Wege", wie Wolfgang Kellner vom Ring Österreichischer Bildungswerke erklärt. Das Verfahren ähnelt dabei dem standardisierten Mitarbeitergespräch, wie es bereits in vielen Unternehmen üblich ist. "Es geht um die gemeinsame Beschreibung von Tätigkeiten, um das Erfassen von Kompetenzen: Was habe ich aus dem, was ich im Verein gemacht habe, gelernt?" Aufgrund der vielfältigen Tätigkeiten in der Freiwilligenarbeit sei es wichtig, die Dokumentation individuell zu machen.

Rund zweistündiges Gespräch

"Der Nachweis ist eine Übersicht dessen, was der jeweiligen Person besonders wichtig ist, was sie selbst gerne etwa bei Bewerbungen vorlegen würde", erläutert der Erwachsenenbildner. Das Gespräch zwischen Vereinsverantwortlichem und Freiwilligem dauert erfahrungsgemäß eineinhalb bis zwei Stunden - "und es ist jedenfalls auch erkenntnisreicher und anregender, als allein irgendwelche Checklisten und Fragebögen auszufüllen", so Kellner weiter.

Ab der nächsten Woche hält Kellner zudem Workshops zum Nachweis ab: Die Schulungen in Freiwilligenzentren in Wien, Linz und Salzburg richten sich dabei an Ansprechpartner und Unterstützer in Organisationen, die dann als Multiplikatoren wirken sollen. "Die Resonanz war unerwartet, wir sind ausgebucht. In Wien haben wir etwa 20 statt ursprünglich 12 Teilnehmer", erzählt Kellner. Diese kämen vor allem von den klassischen Hilfsorganisationen wie Rettung, Caritas, Hilfswerk oder Diakonie, aber auch von den Freiwilligenzentren selbst.

Großer Stellenwert in der Selektion

"Ehrenamtliches Engagement wird grundsätzlich von Arbeitgebern schon sehr positiv gesehen, gerade wenn es um Persönlichkeitseigenschaften wie etwa Einsatz, Belastbarkeit, soziales Engagement, Organisationsfähigkeit geht", berichtet Sylvia Grote, Personalberaterin bei Catro, aus der Praxis. Vor allem bei Positionen im Sozial- und Gesundheitsbereich komme dem ein großer Stellenwert in der Selektion zu: "Wenn etwa ein Medizinstudent während der Ausbildung bei der Rettung mitfährt, ist das definitiv ein Pluspunkt." Ein Ehrenamt sei grundsätzlich kein Ausschlusskriterium in Bewerbungsverfahren - etwa die Befürchtung, dass ein zu starkes Vereins-Engagement sich negativ auf den möglichen Job auswirke -, es sei aber üblicherweise auch nicht fixer Bestandteil der Anforderungen eines Arbeitgebers.

Doch lassen sich eher subjektiv wahrnehmbare soziale Kompetenzen überhaupt bemessen und bewerten? "Bei der Evaluierung einer Persönlichkeit ist das Expertenurteil gefragt, spielen spezielle Fragetechniken eine Rolle", erzählt Grote. "Wir beschränken uns nicht auf eine reine Aufzählung, sondern fragen nach situativen Beispielen nach, in denen ein Bewerber etwa sein Organisationstalent oder seine Teamfähigkeit bewiesen hat."

Dazu kämen gestützte diagnostische Tools wie Persönlichkeitsfragebögen, die einen zusätzlichen objektivierten Blick ermöglichen. "Dann erfolgt ein Abgleich zwischen dem subjektiven Urteil und den Testergebnissen. Bei einem deutlichen Abweichen frage ich dann gezielter nach", sagt die Arbeitspsychologin. Eine weitere Möglichkeit sei schließlich ein Assessment Center, eine nachgestellte Arbeitssituation: "Hier wird ein Teamprozess simuliert: Wie verhält sich jemand in einer 'real life'-Situation?"