Viele Tiroler sind nicht lustig, viele Tiroler sind nicht froh, aber sie sind gerüstet. Über Telfs wurde sogar eine Flugverbotszone eingerichtet, alle Zufahrtsstraßen sind gesperrt. Das ohnehin schon abgelegene Interalpen-Hotel ist zwischen all den Baumwipfeln im Schatten der schroffen Berge hermetisch abgeschirmt - gerade so, als würde jede Minute ein Ufo dort landen. Dabei kommen ab 10. Juni  doch "nur" die Bilderberger.

Nicht nur für Weltverschwörungs-Theoretiker hat dieser Name einen ebenso obskuren Klang wie ein Ufo. Die Bezeichnungen für dieses sagenumwobene Treffen reichen von "Weltregierung" über "mysteriösen Geheimbund" bis "einflussreichste Gruppe der Welt". Der Ruf stammt aus der Vertraulichkeit der Treffen und der hochrangigen Besetzung. Es dringt seit der Gründung 1954 kaum etwas nach außen, es gibt keine Protokolle, keine formelle Organisation. Es ist nicht einmal bekannt, ob ein Status der Mitgliedschaft oder ein Gründungsvertrag existiert. Bekannt ist nur, dass ein 34-köpfiger Lenkungsausschuss die Einladungen ausspricht und selbst dabei ist.

Tatsächlich betrachten sich die Bilderberger selbst als Gemeinschaft, die die transatlantische Beziehung zwischen Europa und Nordamerika über einen informellen, zwanglosen Dialog verbessern will. Die Teilnehmer hätten auch kein Redeverbot, sagt etwa der Sozialdemokrat Rudolf Scholten, der als Österreicher im Lenkungsausschuss sitzt und in Telfs dabei ist. Es handle sich nicht um einen obskuren Klub.

Auch Journalisten dabei

Sogar etliche Journalisten sind seit Jahren anwesend und dürfen auch darüber schreiben. Lediglich wörtliche Zitate mit Namensnennung der Teilnehmer sind unerwünscht. Es gilt dabei die sogenannte "Chatham House Rule", die allen Teilnehmern das Recht einräumt, die ausgetauschten Inhalte zu nutzen, die Urheberschaft aber niemandem persönlich zuzuordnen. Weil das Treffen ausdrücklich als privat gekennzeichnet ist, sind protokollarische Regeln auch weitgehend außer Kraft gesetzt. Niemand ist an seine offizielle Position seiner Ämter oder Funktionen gebunden. Damit soll bewusst die Möglichkeit entstehen sich über globale Themen auf bislang ungegangenen Wegen zu bewegen. Jedem soll die Möglichkeit gegeben werden, auch einmal intensiv zuzuhören und bewusst zu reflektieren, außerhalb der sonst gesetzten Normen.

Auch Polizei aus Deutschland sorgt für Sicherheit
Auch Polizei aus Deutschland sorgt für Sicherheit © APA

Die Öffentlichkeitsarbeit wird in diesem Jahr übrigens von der deutschen PR-Agentur geleitet, die auch die Münchner Sicherheitskonferenz medial betreut. Sogar die Teilnehmerliste wurde auf der Internetseite www.bilderbergmeetings.org veröffentlicht, damit vor allem den Verschwörungstheoretikern der Wind aus den Segeln genommen wird. Zwischen 120 und 160 Personen werden jedes Jahr eingeladen. Heuer nehmen 140 Teilnehmer aus 22 Ländern am 63. Bilderberger-Treffen in Telfs teil. Es sind politische Entscheider ebenso wie Experten aus der Wissenschaft, der Industrie, der Finanzwelt und aus den Medien. Darunter sind Granden wie Shell-Manager Ben van Beudren, der Tiroler Immobilien-Tycoon René Benko, Euro-Gruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem oder Ex-US-Außenminister Henry Kissinger. Aber auch Bundespräsident Heinz Fischer und "Standard"-Herausgeber Oscar Bronner. Kanzler Werner Faymann nahm die Einladung diesmal allerdings ebenso wenig an wie Vizekanzler Reinhold Mitterlehner.

Tagesordnung geheim

Die Tagesordnung bleibt weiterhin bis zum Ende der Veranstaltung geheim. Allerdings stehen auch in Telfs die üblichen Themen auf der Tagesordnung, die sonst die Gipfel der weltweiten Organisationen und das öffentliche Tagesgeschehen dominieren. Es wird über die Atomfrage im Iran ebenso gesprochen wie über Griechenland, den Konflikt im Nahen Osten, Russland und die Ukraine-Krise, den weltweiten Terrorismus. Allerdings wird man sich auch über die Auswirkungen der vergangenen und kommenden Wahlen austauschen. Da ein Großteil der Teilnehmer aus der Wirtschaft kommt, werden auch finanz- und wirtschaftspolitische Fragen erörtert. Allerdings wird von morgen bis Sonntag ebenso über Cybersicherheit, künstliche Intelligenz und die Bedrohung durch Chemiewaffen ausführlicher gesprochen.

Während sich die Bilderberger also weiterhin mit einer mysteriösen Aura umgeben, ist der Protest gegen den Geheimbund der Macht offensichtlich. Denn für die Tiroler Polizei gilt: Vor dem Gipfel ist nach dem Gipfel. Es ist eine Art Protesttourismus in der österreichisch-deutschen Grenzregion entstanden. Viele Gegner des G7-Gipfels im bayrischen Schloss Elmau sind nun 40 Kilometer weiter ins benachbarte Tirol gereist, darunter die Globalisierungsgegner von Attac.

INGO HASEWEND