Historische Erstfahrt im Dunkeln: Am frühen Sonntagmorgen ist der erste reguläre Passagierzug durch den neuen Gotthard-Tunnel ins Tessin gefahren. Gäste und Bahnfans sahen zwar nichts, Premieren-Gefühl gab es trotzdem. Für SBB-Chef Andreas Meyer war es "ein Tag wie Weihnachten", wie er kurz vor der Abfahrt auf dem Perron sagte.

Er freue sich sehr, dass es jetzt endlich losgehe. Nachdem die extralange Doppelkomposition pünktlich um 6.09 Uhr losgefahren war, stellte sich Meyer gleich selber ans Mikrofon, um die Durchsage zu machen.

"Vergessen Sie nicht, es geht jetzt nicht mehr lange ins Tessin", sagte er zu den Passagieren. Für das Frühstück könne man sich jetzt nicht mehr endlos Zeit lassen wie früher. Alle Passagiere erhielten an diesem speziellen Morgen gratis Kaffee, Orangensaft und Kipferl.

Güterzug blieb stecken

Gleich am ersten regulären Tag gab es allerdings auch ein Problem: Ein Güterzug ist am Sonntagnachmittag steckengeblieben. Ein Personenzug, der auf den Güterzug folgte, konnte diesen zwar überholen, verspätete sich aber um zwölf Minuten.

Ein anderer Personenzug Richtung Norden, musste auf die Bergstrecke ausweichen und erhielt eine Verspätung von 40 Minuten. Gemäß Auskunft einer Sprecherin der Schweizer Bahn (SBB) ist der Grund für die Panne noch unbekannt. Mit der Eröffnung des Basistunnels habe der Zwischenfall wohl aber nichts zu tun.

Derzeit können die Züge zwar durch den Basistunnel verkehren. Reisende müssen aber mit einer Verspätung von bis zu neun Minuten Rechnen.

Längster Bahntunnel der Welt

Mit 57 Kilometern Länge handelt es sich um den längsten Eisenbahntunnel der Welt; die Fahrzeit dauert bei einer Geschwindigkeit von rund 200 Stundenkilometern etwa 20 Minuten. Auch Güterzüge nutzen den Tunnel.

Mit bis zu 2300 Metern unter dem Gebirge ist der Gotthard-Basistunnel auch der am tiefsten gegrabene Tunnel weltweit. Das Rekordbauwerk kostete beinahe elf Milliarden Euro und ist Teil des Bahn-Korridors zwischen dem Nordseehafen Rotterdam und Genua am Mittelmeer.

Neben Bahnfans und regulären Passagieren standen bei der Premiere auch zahlreiche geladene Gäste extra früh auf. An Bord waren Regierungsmitglieder aller Kantone, Mitarbeitende des Bundes, Parlamentarier sowie Vertreter der Bahnbranche, darunter auch SBB-Präsidentin Monika Ribar.

Halbe Stunde eingespart

SBB-Chef Meyer weiß schon jetzt genau, was er mit der halben Stunde machen will, die er künftig bei Fahrten ins Tessin spart. Er habe vom Bürgermeister von Lugano viele gute Tipps bekommen, wo es guten Kaffee gebe. "Und ich weiß jetzt auch, wo ich eine Sechs-Kilo-Salami kaufen kann", sagte er.

Die zusätzliche halbe Stunde will Meyer aber nicht nur gastronomisch nutzen. "Ich könnte mich in dieser Zeit auch mit den italienischen Kollegen treffen und mit ihnen Gespräche führen, etwa über die Verbesserung der Pünktlichkeit."