Es wird heißer und das stellt Planerinnen und Planer von Gebäuden und Städten vor neue Herausforderungen: Während zuletzt die vorherrschende Frage lautete, wie man Gebäude bestmöglich vor Kälte schützt, geht es beim Planen und Bauen mittlerweile genauso sehr darum, Räume hitzefrei zu bekommen. In absehbarer Zukunft steigen die Temperaturen in Österreich um bis zu vier Grad, laut Geosphere Austria wird es im Süden des Landes rund sieben Hitzetage mehr als bisher geben. Je mehr Beton und Versiegelung, desto heißer, weshalb es gerade im städtischen Bereich gilt, proaktiv an Beschattungen und Kühlung zu arbeiten.
Der Architekt und Ziviltechniker Burkhard Schelischansky regt dabei an, das Thema ganzheitlich zu betrachten, und liefert einen Denkanstoß: "Weil es im städtischen Bereich nachts durch den Straßenverkehr zu laut ist, werden Fenster geschlossen. Die Hitze kann nicht entweichen, man kauft ein Klimagerät. Das verbraucht Strom und ist einem guten Raumklima nicht gerade zuträglich."
Klimawandelanpassung braucht also gesellschaftliche Veränderungen, in dem Baubereich, der Mobilität, dem Konsum und unserem Verhalten generell. Statt Lösungen ausschließlich in Technologien zu suchen, sollte man versuchen, die Kraft der Natur und ihrer Pflanzen zur Kühlung einzusetzen, betont Schelischansky, Plätze etwa sollten eher entsiegelt und begrünt als mit wartungsintensiven Sprühnebelinstallationen versehen werden. Das betreffe auch denkmalgeschützte Räume, der Ziviltechniker ist überzeugt, dass in absehbarer Zeit am Grazer Hauptplatz Bäume wachsen werden.
Schon vor vier Jahren hat der Ziviltechniker und Experte für Thermografie, Martin Mudri, mit seiner Infrarotkamera festgehalten, dass in einer mehrtägigen Hitzeperiode die nächtliche Abkühlung am stark versiegelten Grazer Hauptplatz die Erwärmung des Tages nicht mehr aufhebt. In großen Städten wie Wien sind die Temperaturen oft um bis zu zwölf Grad über jenen in den Randgebieten. Dass die Fotosynthese und die Umwandlung von CO₂ in Sauerstoff in heißer werdenden Regionen Kühlung bedeutet, ist wissenschaftlich belegt, sagt die Leiterin des Instituts für Ingenieurbiologie und Landschaftsbau an der Boku Wien, Rosemarie Stangl. Es braucht sogenannte "Pooling Spots" mit "grüner und blauer Infrastruktur", also Begrünung und Wasserflächen, um die Luftqualität zu verbessern und CO₂-Emissionen zu absorbieren und zu kühlen. Entsiegelungsmaßnahmen tragen zudem dazu bei, dass Wasser nicht sofort in der Kanalisation verschwindet, sondern im Erdreich aufgenommen wird und dort für Kühlung sorgt.
Für die Ingenieurbiologin Stangl stellen viele Neubauprojekte ein großes Problem dar: "Gesunder Bodenaufbau, der oft über mehrere hundert Jahre entstanden ist, wird zubetoniert und der Nutzung entzogen. Nachpflanzungen erfolgen oft halbherzig und wenig wirkungsvoll, viele der Bäume zeigen Stresssymptome, weil der Wurzelraum zu klein bemessen ist." Sie gibt zu bedenken, dass Jungbäume Jahrzehnte brauchen, um ihre ökologische Wirkung zu entfalten.
Mit Aufkommen des motorisierten Individualverkehrs ab den 1960er-Jahren wurden städtische Räume asphaltiert, es wurden Parkmöglichkeiten geschaffen, Ballungsräume entwickelten sich zu Autostädten. Grünflächen verschwanden, die Verdichtung nahm zu.
Die Architektin und Vizepräsidentin der Kammer der Ziviltechniker:innen für Steiermark und Kärnten, Barbara Frediani-Gasser, sucht für ihre Planungen gern historisches Bildmaterial, das ursprünglich für Menschen geschaffene Stadträume von anno dazumal zeigt. "Dort sollten wir wieder hin, vor allem müssen wir uns in Innenstädten vom lieb gewordenen Auto verabschieden", sagt sie. Stark versiegelte Flächen müssten zunächst Schritt für Schritt in grüne Inseln verwandelt beziehungsweise das Schwammstadtprinzip umgesetzt werden: Dabei wird der Boden mit wasseraufnehmendem Bodenmaterial versehen, damit das Erdreich das Wasser gut aufnehmen und den Wurzelbereichen der Bäume und Pflanzen zuführen kann. Dieses Vorgehen ermöglicht Bäumen auch, ihre Wurzeln unter dem Straßenraum weiträumig zu verteilen. "So bleiben sie vital, zudem wird viel Volumen für die Niederschlagswasser geschaffen."
Vor allem bedeuten neue grüne und blaue Infrastrukturen ein stärkeres Ineinandergreifen der verschiedenen Disziplinen, betont die Architektin: Ein Blick in einen aufgegrabenen Straßenabschnitt auf die dicht an dicht aneinander liegenden Rohre und Leitungen zeigt, dass es für nachhaltigen Grünraum mehr Fachbereiche braucht als nur die Straßenbauabteilung einer Kommune. Grundeigentümer gehörten bei der Planung genauso einbezogen wie Landschaftsplaner oder Biologen.
Größere Städte arbeiten bereits an Lösungen, in Graz etwa sieht die Neugestaltung des Tummelplatzes Entsiegelungsmaßnahmen vor, das neue Kärntner Landesmuseum erhielt eine "Baumhalle" nach dem Schwammstadtprinzip. Dabei bilden Bäume ein grünes Blätterdach, das das Areal beschattet und kühlt. In Villach entsteht bis 2025 eine "grüne Achse": Den Hauptbahnhof und den Stadtpark wird künftig eine grüne Allee verbinden.
Wichtig sei, betont die Architektin Frediani-Gasser, bei der Bepflanzung auf resiliente Pflanzen zurückzugreifen. Was die Fassadenbegrünung betrifft, habe man vieles an Erfahrung verbuchen können, sagt der Grazer Architekt Burkhard Schelischansky, von Fragen zur Befestigung über die Pflanzung und Bewässerung bis hin zu den passenden Pflanzenarten. Auch Dachbegrünungen sind ein probates Mittel zur Temperaturregelung. So kann ein extensiv begrüntes Flachdachgebäude mit 2000 Quadratmetern Fläche rund 60.000 Liter Wasser zurückhalten und damit das Kanalsystem entlasten.
Daniela Müller