Es war einmal: Ein kleines, rund 100 Jahre altes Kellerstöckl an einem malerischen Südwesthang nahe Graz. Im Erdgeschoß ein kleiner Vorraum, eine nicht viel größere Küche, ein winziges Badezimmer und die gute Stube auf nicht mehr als 45 Quadratmetern, ein Stockwerk darüber direkt unter dem steilen Dach der Schlafbereich. Wasser vom eigenen Brunnen, Wärme aus dem Kachelofen und eine alte Weinlaube mit Ausblick in südweststeirische Hügellandschaft als Sommerwohnzimmer. - Mehr als zehn Jahre lang war Ruth Birner-Grünberger das zum Wohnen mehr als genug. Als dann noch ihr Mann hier einzog, wurde es allmählich aber doch etwas eng - und unpraktisch.

Transparente Verbindung

"Wir wollten endlich eine komfortable Heizung, haben von einer Badewanne geträumt und von einem Platz für einen richtigen Kleiderschrank", sagt die Hausherrin. Ein Zubau sollte die Lösung bringen. Den passenden Architekten hatte Birner-Grünbergers Vater als Statiker rasch zur Hand: Martin Emmerer von HoG Architektur. Nach dem Vorbild eines Paarhofs, in dem Wohnhaus und Wirtschaftsgebäude parallel angeordnet sind, mit einem Hof dazwischen, entwarf er für das alte Kellerstöckl ein selbstbewusstes Gegenüber, das gern Teil einer großen Familie ist, aber auf seinen Freiraum pocht.

Die Kubatur des alten Kellerstöckls wurde durch einen separaten Zubau verdoppelt, der über einen transparenten Würfel mit dem Altbestand verbunden ist. Mit seiner schwarz gestrichenen Lärchenholzfassade, dem Ziegeldach und hofseitig kleinen Fenstern sieht der Neubau auf der einen Seite tatsächlich fast wie ein Zwilling des Kellerstöckls aus. Auf der anderen Seite tanzt es es hingegen aus der Reihe: Durch die Verkürzung der westseitigen Dachlängen öffnet sich der Neubau keilförmig zur Landschaft hin, dreht sich in Richtung Tal und bietet dank großflächiger Verglasung alles, wovon man im Altbestand nur träumen kann: lichtdurchfluteten, offenen, bis zu sechs Meter hohen Wohnraum, Platz für ein modernes Badezimmer mit Wanne, eine Terrasse mit Panoramablick und ausreichend Stauraum für Kleidung, Bücher und Co.

Alte Weinlaube

Der Sockel des neuen Zwillings wurde aufgelöst zugunsten des Ausblicks von der alten Weinlaube aus. Ruth Birner-Grünbergers Herz hing nämlich nicht nur am alten Kellerstöckl, sondern auch an der Weinlaube, die folglich unbedingt erhalten bleiben musste.

Der Zusatznutzen des auskragenden Wohngeschosses im Neubau: Darunter entstand ein überdachter Außenbereich für die Sauna, auf die die Bauherren ebenfalls nicht verzichten wollten, weil es bereits vor dem Umbau eine gab: im alten Keller ohne Aussicht. "Dort ist jetzt der Technikraum", sagt der Hausherr.

Durch den Umbau ging also nichts verloren - es wurde aber viel dazugewonnen, wozu auch der gläserne Verbindungstrakt zwischen den beiden Baukörpern viel beigetragen hat. Er ist mehr als eine Schleuse. "Er ist Eingang, Garderobe, Wintergarten und ein Teil unseres neuen Wohnzimmers", sagt die Bauherrin. Wenn die Bewohner bei soviel Transparenz und Offenheit einmal Sehnsucht nach mehr Rückendeckung haben, gibt's ja noch immer die gute, alte Stube mit der Rauchkuchldecke, dem Kachelofen und den winzigen Fenstern in die Südweststeiermark - und das rustikale Zimmer unter dem Dach. Einzig die winzige Nasszelle im Altbau hat völlig ausgedient. Obwohl: Im Falle des Falles steht das alte Haus mit diesem Badezimmer noch immer als vollwertige Wohneinheit für Gäste parat.