Die Oper von Norwegen und die Bibliothek in Alexandria sind nur zwei Marksteine unter den zig Projekten, mit denen sich das norwegische Architekturbüro Snøhetta in den vergangenen 20 Jahren international einen Namen gemacht hat. Kjetil Thorsen ist einer der Gründungspartner des Unternehmens und hat starken Österreich-Bezug. Die Kleine Zeitung traf ihn bei einem restlos ausgebuchten Architekturvortrag in Graz, zu dem die Firma Bene gemeinsam mit dem Haus der Architektur geladen hatte.

Sie haben in Graz Architektur studiert, waren in der Jury zum Kunsthaus Graz und hatten viereinhalb Jahre lang eine Professur in Innsbruck. Kann sich Österreich in puncto Architektur etwas von Norwegen abschauen?

KJETIL THORSEN: Österreich ist in vieler Hinsicht ein Vorbild für Skandinavien - besonders was die Holzarchitektur aus Tirol betrifft. Für Architekten meiner Generation war außerdem die Grazer Schule ein starker Input.

Gibt es Ihrer Meinung nach so etwas wie skandinavisches Design?

THORSEN: Seit Mitte der 1990er kaum noch. Wir waren ja relativ konservativ, kann man sagen: richtig gutes Handwerk in Kombination mit gutem Material. Momentan ist alles möglich, alle gehen ihren eigenen Weg.

Wie schwierig ist es dabei, seine eigene Handschrift zu entwickeln? Was macht den Erfolg aus?

THORSEN: Der einfachste Weg zum Erfolg ist, die Fragen richtig zu beantworten. Die Generation vor mir hatte ihre Meisterarchitekten, die Skizzen angefertigt haben, in den Büros wurde dann gezeichnet. Für uns ist Architektur eine sehr komplexe, kollektive Zusammenarbeit mit vielen Büros - ähnlich wie bei einem riesigen Orchester, das eine komplexe Musik spielt. Ich bin dabei der Dirigent.

Wie trifft man den richtigen Ton?

THORSEN: Indem man kontextuell arbeitet, für jede Gelegenheit neue Lösungen findet. Unsere Philosophie ist einfach: Bei uns arbeiten Architekten, Künstler, Innen- und Landschaftsarchitekten gemeinsam - in einem permanenten Austausch und Rollentausch. Das heißt, der Landschaftsarchitekt kann Architekt sein, der Architekt kann Künstler sein usw. usf. In diesem Prozess entstehen Lösungen. Wir überlegen für jedes Projekt geschichtlich-analytisch, erstellen landschaftliche, Wetter- und Klima-Analysen und verbinden das Ganze mit der Intuition an Ort und Stelle.

Was ist dabei die größte Herausforderung: Formsprache, Material, die Energiefrage?

THORSEN: Der dritte Punkt sowieso. Wir arbeiten unter dem Motto "form follows environment". Das hat natürlich eine neue Ästhetik zur Folge, weil die Bedingungen anders sind, das Material ist neu, die technologische Entwicklung erfolgt im Rekordtempo.

Sind Energieeffizienz und Ökologie wirklich das große Thema für den Planer?

THORSEN: Ja, in den Wüstenarealen, in denen wir bauen, ist zum Beispiel der Schatten, den ein Gebäude auf das andere wirft, eine Formbedingung. Und bei dem Gebäude, das wir gerade in Saudi-Arabien errichten (siehe Bild rechts), ist die ganze Fassade mit durchgehenden Rohren verkleidet, die mit einer Flüssigkeit gefüllt sind und wie eine umgekehrte Wärmepumpe funktionieren. Hier ein Maximum an Leistung herauszubekommen, hat die besondere Form des Gebäudes bedingt. Womit wir zusätzlich arbeiten, weil wir eben Norweger sind, ist ein allgemeines Eigentumsprinzip. Egal, wem die Gebäude gehören: Wir versuchen Möglichkeiten zu finden, wie sie möglichst viele Menschen auf vielfältige Weise nutzen und gebrauchen können. Das Dach der Oper von Oslo zum Beispiel ist frei zugänglich für alle. Das ist ein Teil der Architektur, und das ist auch Nachhaltigkeit. Auf diese Art und Weise steht jedes Projekt für sich, keines sieht aus wie das andere - weil die Leute, das Klima und die Geschichte an jedem Ort anders sind.