Geht es um Passivhäuser, wird in erster Linie über Energiekennzahlen, Lüftungsanlagen und Dämmstärken gesprochen. Gemütlichkeit und Wohnkomfort scheinen nicht das große Thema zu sein. Muss man ein Technik-Freak sein, um Passivhäuser zu lieben?

HARTWIG STEINWENDER: Ein Passivhaus sollte hauptsächlich als Lebensraum verstanden werden. Es ist zwar ein Haus, das über Energiekennzahlen klassifiziert wird, die technische Ausrüstung ist heutzutage aber selbstverständlich und wird nicht nur beim Passivhaus eingesetzt. Denken wir etwa an die Luftdichtheit eines Hauses oder wärmebrückenfreies Konstruieren: Beides sind Maßnahmen, die unkontrollierte Wärmeverluste verhindern und heutiger Stand der Technik sind.

Wie lässt sich das Vorurteil entkräften, dass man im Passivhaus kein Fenster mehr öffnen darf?

STEINWENDER: Die luftdichte Bauweise macht es generell nötig, dass man extra Luft ins Innere des Gebäudes bringen muss. Beim Passivhaus wird diese vorgewärmt und gefiltert. Somit atmet der Bewohner saubere und sauerstoffreiche Luft, ohne ein Fenster öffnen zu müssen. Das Bedürfnis, ein Fenster zu öffnen, entsteht hier gar nicht, weil die Behaglichkeitskriterien erfüllt sind.

Ohne Belüftungssystem müssen die Fenster zum Lüften geöffnet werden, weil man es im Inneren sonst gar nicht aushält. Im Passivhaus hingegen kann man sie jederzeit öffnen. Im Winter ist es wegen der Wärmeverluste aber nicht ratsam. Im Sommer wiederum kann es von Vorteil sein, die Luft über Erdkollektoren etwas abzukühlen und staub- und pollenfrei einzublasen. Außerdem kann es aus Gründen des Schallschutzes angenehm sein, die Fenster nicht öffnen zu müssen.

Ist die alleinige Luftheizung ein Muss im Passivhaus?

STEINWENDER: Nein, mittlerweile wird immer häufiger ein Niedertemperatursystem eingebaut: Entsprechend dem geringen Heizwärmebedarf können Fußboden- und Wandheizungen sehr klein dimensioniert werden. Damit wird dem physiologischen Bedürfnis des Menschen, Wärme als Strahlungswärme zu beziehen, auch im Passivhaus Folge geleistet. Auch der Einbau eines Kachelofens ist technisch möglich.

Somit bedarf es beim Belüftungssystem eines geringeren Luftvolumens, um den hygienischen Luftwechsel zu gewährleisten, geringere Strömungsgeschwindigkeiten und das bekannte Phänomen der Austrocknung der Luft bei zu hohen Luftwechselraten ist damit behoben. Außerdem können offenporige Baustoffe wie Kalk- und Lehmputze unter anderem den Feuchtegehalt der Luft mitregulieren. Das Innenraumklima wird natürlich durch die verwendeten Materialien und elektrischen Installationen und Geräte beeinflusst.

Wie würden Sie die großen Vorteile des Passivhauses zusammenfassen?

STEINWENDER: Erstens höhere Behaglichkeit durch bessere Lufthygiene und annähernd gleiche Luft- und Oberflächentemperaturen der Außenbauteile, zweitens wesentlich geringere Betriebskosten.