In Vorbereitung auf den bevorstehenden Brexit hat die Wirtschaftskammer eine Informationskampagne für Hunderte betroffene heimische Konzerne gestartet. Mittels eines eigens eingerichteten Brexit-Infopoints sollen Betriebe unter anderem über Zölle, Steuern, die Entsendung von Angestellten, Versicherungen, Transportmöglichkeiten, Zertifizierungen sowie weitere Rechtsfragen informiert und beraten werden. (Infos unter www.wko.at/brexit.) Rund 500 österreichische Unternehmen sind laut Mariana Kühnel, der stellvertretenden Generalsekretärin der Wirtschaftskammer, wirtschaftlich stark mit Großbritannien verflochten. Einige Tausend operieren anlassbezogen mit dem Land.

Zu den österreichischen Firmen mit umsatzstarken Niederlassungen und Tochterfirmen in Großbritannien zählen die voestalpine, Wienerberger,Lenzing, Novomatic, Red Bull, und Zumtobel. Ebenfalls größere Standorte haben der Verpackungshersteller Alpla, der Motorenentwickler AVL, der Beschlägehersteller Blum und der Holzplattenproduzent Egger. In Summe beschäftigen österreichische Firmen rund 40.000 Mitarbeiter in Großbritannien.

Harter Brexit kann das BIP dämpfen

Trotz aller Unsicherheit habe bis jetzt noch kein einziges österreichisches Unternehmen den Rückzug aus Großbritannien angekündigt. "Es ist zwar eine Lose-Lose-Situation, aber wirtschaftlich schaffbar", sagt Kühnel. Ein harter Brexit könnte das reale Bruttoinlandsprodukt (BIP) in Österreich um 0,1 bis 0,3 Prozentpunkte dämpfen.

Was wird mit den Zöllen?

Bei den betroffenen Firmen würden derzeit Zollfragen überwiegen. Die Wirtschaftskammer erwartet 340.000 zusätzliche Zollanmeldungen und Mehrkosten für Zölle und Zolladministration in Höhe von 200 Millionen Euro. Aber auch bei der Entsendung von Mitarbeitern häuften sich Fragen. Schickt ein Unternehmen etwa für den Aufbau von Maschinen Mitarbeiter nach Großbritannien und benötigen diese länger als bis zum 29. März, sei mit Aufenthalts- und Arbeitsgenehmigungen zu rechnen. Weitere Unsicherheiten betreffen unter anderem gewerbliche Schutzrechte, Zertifizierungen, Finanzdienstleistungen, Versicherungen, Vertragsgestaltungen und Transportmöglichkeiten.

Großbritannien könnte Zugang zum europäischen Luftraum verlieren

Mit dem Ende der Übergangsphase oder im Fall eines "No-Deal-Brexits" wird das Vereinigte Königreich auch den Zugang zum einheitlichen europäischen Luftraum verlieren. Die Kammer empfiehlt daher, Geschäftsreisen am 29. oder 30. März wenn möglich zu vermeiden. Flugausfälle und lange Wartezeiten sind wahrscheinlich.

Neuntwichtigster Exportpartner Österreichs

Großbritannien ist für Österreich der neuntwichtigste Exportpartner. Von Jänner bis Oktober 2018 lieferten österreichische Firmen Waren im Wert von rund 3,6 Milliarden Euro in das Land. Gefragt bei den Briten sind vor allem heimische Maschinen und Fahrzeuge, darauf entfallen gut die Hälfte der Gesamtexporte.

Österreichweit legten die Exporte nach Großbritannien in den ersten zehn Monaten 2018 um rund acht Prozent zu. Abgesehen von Maschinen und Fahrzeugen exportieren heimische Betriebe vor allem auch bearbeitete Waren, chemische Erzeugnisse und Nahrungsmittel.

Bei den Einfuhren ist Großbritannien für Österreich auf Platz 13. Von Jänner bis Oktober 2018 stiegen die Importe kräftig um 20 Prozent auf 2,4 Milliarden Euro. Auch bei den Einfuhren überwiegen Maschinen und Fahrzeuge, gefolgt von chemischen Erzeugnissen.