Sie sind in sieben europäischen Ländern mit 31 Betrieben aktiv: Kroatien, Italien, Serbien, Montenegro, Tschechien, Slowakei und Österreich. Wie schlägt sich Österreich im Kampf gegen die Krise aus der Sicht eines Touristikers?
OTMAR MICHAELER: Jedes Land hat seine Eigenheiten. Deutschland und Österreich haben gute Arbeit gemacht im Umgang mit Covid und der Krise – ich hatte den Eindruck, dass die Bundesregierung in Wien eine klare Strategie hatte, wie man die Wirtschaft weiterbringen will. Deswegen läuft es in Österreich in einigen Destinationen ganz gut. Sehr stark leidet jedoch die Stadthotellerie. Aber eine Schwalbe macht noch keinen Sommer.

Das belegen die Zahlen – der Juni brachte in Österreich ein Minus von 60 Prozent bei den Übernachtungen.
Davon, dass alles spitze läuft in Österreich, sind wir noch entfernt. Wir haben derzeit sicherlich viele Österreicher, die diesen Sommer in Österreich bleiben. Aber das Jahr ist noch nicht vorbei – im Anbetracht der Tatsachen, wie es im April ausgesehen hat, können wir mit dem erreichten Niveau zufrieden sein. Von Euphorie sind wir weit weg.

Das bedeutet, die Erwartungen an die Auslastung Ihrer Häuser sind bei Ihnen erfüllt?
Nachdem es den Lockdown gegeben hat, hat man gar keine Erwartungen mehr haben können, weil man nicht wusste, wie es weiter geht – und das weiß ich heute noch nicht. Ich warne immer wieder: Ich war letztes Wochenende in Velden – was ist, wenn in Velden morgen ein St. Wolfgang passiert? Jetzt freuen wir uns alle über die gute Buchungslage, aber was wäre dann? Wir müssen sehr diszipliniert sein und die Vorschriften strengstens einhalten.

Haben Sie den Eindruck, dass man sich im österreichischen Tourismus gut genug an die Regeln hält?
Ich bin gerade in Mailand – der richtige Ort, um dieses Gespräch mit Ihnen zu führen. Ich habe das erste Mal wieder hier gewohnt. Das Verhalten der Menschen im Hotel und auf der Straße ist nicht mit dem vergleichbar, was ich in Wien und in Österreich generell erlebe.

Wir sind zu lasch?
Das Thema St. Wolfgang kann jeden Tag in jedem Hotel, in jedem Haus passieren. Wir wollen nicht Polizist spielen, aber wir legen großen Wert auf größte Hygiene bei den Mitarbeitern und den Mitarbeiterunterkünften. Wenn Infektionen im Bereich der Mitarbeiter passieren, ist das eine große Gefahr – das sieht man nicht nur im Tourismus.

Wie gut sind Ihre Betriebe in den anderen Staaten gebucht?
Montenegro ein Desaster, die Auslastung beträgt zehn Prozent. Die Stadthotellerie in Prag, Belgrad und Bratislava: ein Desaster. In Kroatien haben wir 50 Prozent der Auslastung vom letzten Jahr. Das zeigt eines: Man muss jetzt endlich erkennen, dass wir in Europa leben und es die absolute Reisefreiheit braucht. Hier orientiere ich mich an der Aussage der WHO: Mit Grenzschließungen kann das Virus nicht ausgerottet werden. Wir müssen jetzt zeigen, dass wir ein Europäer sind. Was derzeit von Slowenien mit Grenzkontrollen von fünf Stunden aufgeführt wird, aber auch Appelle, man möge doch den Urlaub lieber zu Hause machen: Das ist doch opportunistisch.

Aber etliche Virusinfektionen betreffen Reiserückkehrer. Das ist ein Problem.
In Südtirol betrifft der größte Teil der Infektionen Leute, die nicht verreist sind. Ich gehe auch in Österreich nicht davon aus, dass alle Infektionen von Urlaubern kommen. Das Argument ist populistisch. Warum führt man ein Ampelsystem wie Österreich, das ich gut finde, nicht in ganz Europa ein? Dann wäre die Diskussion beendet.

Die strengen Kontrollen der Slowenen an den Grenzen sehen Sie als Hindernis für Kroatien-Reisende?
Ich kann das nur bestätigen. Und das mitten in Europa. Hier werden Gräben aufgetan statt zugeschüttet. Das hat Nachwehen in Europa, die weit über das Muskelspiel zwischen Kroatien und Slowenien hinausgehen.

Kroatien und damit auch Ihre Hotels leiden unter Grenzschikanen Sloweniens?
Wir hatten eine gute Buchungslage in Kroatien und haben auch weiter viele Buchungen – aber wir haben mittlerweile gleich viele Stornierungen wie Buchungen. Was wäre in Österreich los, wenn sich Deutschland so aufführen würde? Wir müssen davon weg, dass jeder auf sich schaut. Damit muss Schluss sein, wir müssen die Reisefreiheit in ganz Europa wiederherstellen. Der Konsument kann selbst entscheiden, ob er nach Italien oder Kroatien fährt. Wir brauchen uns alle im Gemeinschaftsraum.

Wie gut entwickeln sich Ihre italienischen Betriebe?
Italien ist sehr spät aus dem Lockdown gekommen. Der Juni war noch tot. Im Juli lagen die Buchungen bei 40 Prozent vom letzten Jahr. Wir erwarten, dass der August vernünftig wird, weil schließlich viele Italiener im August freihaben und heuer in Italien Urlaub machen werden. Aber eines ist schon klar: In sechs Wochen Sommersaison kann man nicht ein ganzes Jahr machen.

Sie fürchten einen für die Branche sehr schwierigen Herbst?
Ich kann es Ihnen jetzt nicht voraussagen. Es ist ja kein Makroproblem alleine, sondern die Coronakrise kann zum Mikroproblem werden. Stellen Sie sich vor: Sie haben einen Betrieb und auf einmal sind 20, 30 Prozent Ihrer Mitarbeiter positiv getestet – Medien und Bevölkerung sind hypersensibilisiert. Von einem Moment auf den anderen sind Sie schwer angeschlagen. Das kann Ihnen als Betrieb passieren, als Region, als Land. Solange das ganze Thema so fragil ist, ist es sehr sehr, sehr schwierig, Prognosen zu machen.

Wie geht es Ihnen als Chef einer großen Tourismusgruppe mit dieser Situation?
Ich orientiere mich am Jetzt und nicht am Morgen. Ansonsten geht es mir gut, weil wir als Mannschaft in der Krise noch zusammengewachsen sind, wir sind jetzt noch mal enger. Was uns viel Kraft gibt, sind die wirklich treuen Gäste. Die vermitteln und den Glauben, gemeinsam die Krise zu stemmen.

Teilen Sie die Einschätzung, der Tourismus werde erst wieder auf sein Niveau vor der Krise zurückkehren, wenn es ein Medikament oder eine Impfung gibt?
Ich denke, wir werden schon früher zu dem Punkt kommen, an dem wir wissen, mit dem neuen Virus, dieser neuen Form der Grippe, zu leben lernen. Natürlich helfen uns Medikamente. Aber es hilft uns auch, wenn im Bereich der Schlagzeilen Ruhe hineinkommt. Ich will aber das Virus nicht nach unten spielen.

Wird heuer nennenswerter Wintertourismus stattfinden?
Ich gehe davon aus, dass es immer wieder zu kleinen Lockdowns kommen wird. Ich bin aber auch überzeugt, dass der Wintertourismus, so wie der Sommertourismus, seine Chancen haben wird. Aber die Leute werden diesen ersten Winter mit Corona nicht groß verreisen und in der Region bleiben – wir haben daher berechtigte Chancen, dass im Winter vernünftig Tourismus zu machen sein wird.