Wir sind mit dem globalen Risiko des Klimawandels konfrontiert. Wie verändert es das Versicherungsgeschäft?
PHILIPPE DONNET: Wenn wir das Tempo des Klimawandels nicht stoppen, wird das für alle Auswirkungen haben. Für Versicherungen ist das Risiko derzeit noch managebar, aber langfristig würden es nicht nur die Rückversicherer spüren, sondern auch die Versicherungen. Denn der Klimawandel führt zu mehr und heftigeren Naturkatastrophen. Derzeit haben die Versicherungen die finanziellen Risiken noch im Griff und die Rückversicherer konnten die gestiegenen Kosten absorbieren. Wir erreichen jetzt aber einen Punkt, an dem wir handeln müssen. Auch Versicherungsgesellschaften können zu einem nachhaltigen Umgang mit der Umwelt beitragen.

2019 verursachten Naturkatastrophen weltweit Schäden von 140 Milliarden Euro. Nur 56 Milliarden waren von Versicherung gedeckt. Muss man Regeln für die Versicherung von Naturrisiken - Flut, Feuer, Sturm - verändern?
Nein, aber es ist wichtig, den Versicherungsschutz für Katastrophen zu erhöhen. In vielen Ländern gibt es für diese Risiken keine Deckung. In Italien hat nur jeder Vierte eine Versicherung für sein Zuhause und im Katastrophenfall zahlt der italienische Staat nicht für Schäden daran. Der Staat kann solche Ausgaben nicht budgetieren, die Versicherungen sind hingegen erfahren, den Menschen im Katastrophenfall rasch zu helfen. In Ländern wie Italien spielen die Versicherungsgesellschaften daher eine wichtige Rolle bei der Bewältigung von Katastrophen.

"Grüne und soziale Prämien"

Beim Weltwirtschaftsforum in Davos richtete die Finanzwelt den Fokus auf Nachhaltigkeit aus. Was können Versicherungsunternehmen zur Verlangsamung des Klimawandels beitragen?
Versicherungen haben die Aufgabe, Risiken einzugrenzen und Kapital zu investieren. Auf beiden Seiten können Versicherungen einen positiven Beitrag zu nachhaltigerem Wachstum beitragen. Wir brauchen nicht nur Nachhaltigkeit, sondern nachhaltiges Wachstum, um die Lebensqualität für mehr Menschen zu verbessern. Die Generali zieht sich zunehmend aus kohlenstoffintensiven Sektoren zurück und weitet ihr Engagement für soziale und ökologische Produkte aus. Wir wollen das Volumen der „grünen und sozialen Prämien“ bis 2021 um sieben bis neun Prozent erhöhen.

Was bedeutet das konkret?
Wenn wir von „grünen und sozialen Prämien“ sprechen, dann geht es um fast 20 Prozent aller Prämien per Ende 2018. Außerdem versichern wir keine neuen kohlebezogenen Aktivitäten mehr. Wir unterstützen die Energietransformation, indem wir uns mit Unternehmen in den Ländern engagieren, die stark von der Kohle abhängig sind, wie zum Beispiel Polen. Auf der Investmentseite werden wir bis 2021 4,5 Milliarden Euro in grüne und nachhaltige Anlagen investieren.

ESG-Investments und "Green Deal"

Die EU will gegen den Klimawandel mit dem „Green Deal“ 1000 Milliarden Euro aktivieren. Wie soll die EU-Kommission „grüne Investments“ definieren?
Die Generali unterstützt die Initiative des Green Deals mit voller Überzeugung. Es ist der einzige Weg, um das Überleben unseres Planeten zu sichern. Ich war vor einigen Wochen wegen dieses Themas bei der EU-Kommission und im EU-Parlament in Brüssel. Grüne Investments sollten auf jeden Fall einem oder mehreren der 17 SDG, der Nachhaltigkeitsziele der UN, dienen. Die Finanzregeln sollen aber auch die Transformation jedes einzelnen Unternehmens berücksichtigen, weil noch nicht jedes Unternehmen ausreichend nachhaltig aufgestellt ist.

Im Finanzbericht vom September findet man bei Generali 33 Milliarden Euro an Investments die ESG, also Umwelt-, Sozial- und Governance-Aspekte berücksichtigen. Wo wollen Sie hin?
Wir wollen in diesem Bereich wachsen. Tatsächlich haben wir die Mehrheit von Sycomore, einem führenden, auf diesen Bereich spezialisierten Vermögensverwaltungsunternehmen, übernommen. Dies wird für uns, aber auch für andere Versicherungsgesellschaften ein fantastisches Instrument für grüne Investitionen sein.

Wie integriert Generali nachhaltiges Wachstum ins tägliche Business?
Die Fundamente unserer Strategie „Generali 2021“ sind befähigte Mitarbeiter, eine starke Marke und das Kommitment zur Nachhaltigkeit. Wir waren die erste europäische Versicherungsgruppe, die einen Green Bond aufgelegt hat. Wir sind Teil des Dow Jones Sustainability Index und haben ein globales nachhaltiges Sozialprogramm mit dem Namen „The Human Safety Net“ geschaffen. Alles, was wir tun, ist auf Nachhaltigkeit ausgerichtet, da diese Teil unseres Lebens ist. Das ist es, was Kunden, Mitarbeiter und unsere Gesellschaft von uns erwarten.

Vermögensverwaltung

Einen großen Wandel vollzieht die Generali mit dem Kauf der CM Investment Solutions (jetzt Lumyna Investments) von Merrill Lynch Bank of America. Ihre Ziele?
Tatsächlich ist das ein Beispiel für eine größere Veränderung unserer Vermögensverwaltungsstrategie. Wir sind nicht mehr ausschließlich eine Versicherungsgesellschaft, sondern auch eine Vermögensverwaltungsgruppe. Das ist eine historische Veränderung. Die niedrigen Zinsen haben das Lebensversicherungsgeschäft, das bei uns zwei Drittel des Geschäftsvolumens ausmacht, völlig verändert. Um dieses Szenario zu bewältigen, bieten wir unseren Kunden zunehmend eine breitere Palette von Hybridprodukten an. Über unsere 16 Boutiquen, die bereits ein Vermögen von über 500 Milliarden Euro verwalten, haben wir unsere Vermögensverwaltungsstrategie sehr erfolgreich gestartet. Ein großer Teil davon besteht nach wie vor aus Vermögenswerten unserer Gruppe, aber wir verwalten auch Vermögenswerte anderer Versicherungsgruppen.

Die niedrigen Zinsen zwingen die Versicherungen auch in neue Veranlagungsklassen. Wohin?
Wir investieren in die Realwirtschaft. Und um Renditen zu erhöhen, bevorzugt in illiquide Anlageklassen, wie Infrastruktur, Private Equity oder Immobilien.

Italienische Staatsanleihen für 60 Milliarden Euro im Portfolio der Generali lassen Sie gleichwohl ruhig schlafen?
Ja. Aber das sind nur zwölf Prozent unseres Portfolios und wir haben eine ausgezeichnete Solvabilitätsquote. Natürlich haben wir eine breitere geografische Reichweite, aber Italien bleibt unser starker Heimatmarkt mit einer soliden Profitabilität.

Wachstumsmarkt Europa

Was macht Sie zuversichtlich für Europa als Wachstumsmarkt?
Wir machen 90 Prozent unseres Geschäfts in Europa und bei den Prämien sind wir führend. Die demographische Entwicklung und die Alterung der Bevölkerung werden zu einer steigenden Nachfrage nach Gesundheits- und Assistance-Lösungen führen. Hinzu kommt signifikantes Wachstum in Zentral- und Osteuropa, wo wir historisch stark sind. Europa sehen wir als Chance und wir wollen auch die Position in Österreich und Deutschland ausbauen.

Mit neuen Übernahmen?
Wir schauen nach Gelegenheiten aus, wie letztes Jahr mit Zukäufen in Polen und Slowenien. Natürlich ist organisches Wachstum notwendig, um Akquisitionsmöglichkeiten zu bewerten.

Digitalisierung

Wie disruptieren Digitalisierung und Fintechs Ihr Geschäft?
Die Digitalisierung eröffnet große Möglichkeiten für die Kundenbetreuung. In Europa sind über uns zwei Millionen Autos verbunden und die Daten daraus nützen den Kunden von den Preisen bis zum Notfallservice bei einem Unfall. Fintechs verstehen wir als Partner, wenn sie mit Innovationen raschere Services anbieten. Unser Vertriebsnetzwerk mit 150.000 Maklern ist das größte im Versicherungsgeschäft. Nun wird das Triangel von Vertrieb, Kunden und Generali digital, aber der „Human Touch“ bleibt weiterhin unverzichtbar. Versichern ist Emotion, denn es geht um Persönliches, um Risiken, um Gesundheit und um das Leben. Darüber will man mit einer Vertrauensperson reden können.

Wie bedeutsam sind für Generali die Wurzeln mit Österreich, dessen Monarchie es bei Gründung 1831 in Triest angehörte?
Wir schauen in die Zukunft und vergessen dabei nie unsere Geschichte, unser Erbe und unsere DNA. Unsere Group Academy wurde gerade in Triest eröffnet, wo sich nach wie vor einer unserer wichtigsten Bürostandorte befindet. Darüber hinaus bleibt Österreich für uns ein strategisch wichtiges Land.

Zur Person

Philippe Donnet (59), geboren in Frankreich, studierte am École Polytechnique und begann seine Karriere bei AXA.

Ab 2013 CEO Generali Italien.

Seit März 2016 CEO Generali Group.

Die Generali Group

1831 in Triest gegründet. Ergebnisse 2018:

Prämien: 66,691 Mrd. Euro (+ 4,9 %), davon Leben: 46.084 Mrd.

Operatives Ergebnis: 4,857 Mrd. Euro (+ 3,0%)

Nettoergebnis: 2,309 Mrd. Euro (+ 9,4 %)

Solvency II Ratio: 216 %

71.000 Mitarbeiter in 50 Ländern.