Die deutschen Ausfuhren stiegen laut Statistischem Bundesamt um 1,1 Prozent zum Vormonat und damit mehr als doppelt so stark wie von Ökonomen erwartet. "Die Exporteure können kurz durchatmen. Die globalen Unsicherheiten für deutsche Unternehmen bleiben aber bestehen", warnte DIHK-Außenwirtschaftsexperte Kevin Heidenreich am Montag mit Blick auf den schwelenden internationalen Zollstreit.

Die deutschen Unternehmen fuhren im Mai zugleich ihre Produktion hoch. Industrie, Baubranche und Versorger stellten 0,3 Prozent mehr her als im Vormonat. Das Bundeswirtschaftsministerium sprach von einer "Stabilisierung auf niedrigem Niveau". Volkswirt Carsten Brzeski von der Bank ING sieht darin schwache konjunkturelle Lebenszeichen. "Die deutsche Volkswirtschaft stürzt nicht ab. Doch die Entspannung ist zu schwach, um Optimismus zu rechtfertigen", urteilte Brzeski. Der exportabhängigen deutschen Wirtschaft machen neben den von US-Präsident Donald Trump vom Zaun gebrochenen Zollkonflikten auch Risiken wie der in wenigen Monaten anstehende Brexit zu schaffen. Vor diesem Hintergrund schwindet zusehends die Hoffnung auf eine Konjunkturerholung - auch weil die Industrieaufträge zuletzt einbrachen.

Auto- und Maschinenbauer rechnen mit Minus

Außenhandelspräsident Holger Bingmann zeigte sich skeptisch. "Es ist damit zu rechnen, dass die konjunkturelle Abkühlung Fahrt aufnehmen wird", erklärte der Chef des Branchenverbandes BGA. Im Sommer 2018 war das Bruttoinlandsprodukt (BIP) um 0,2 Prozent geschrumpft. Danach stagnierte die Wirtschaft, bevor sie zu Jahresbeginn in Schwung kam. Viele Forschungsinstitute haben jüngst ihre Prognosen für das Wirtschaftswachstum 2019 aber gesenkt. Die Bundesregierung erwartet nur noch ein mageres BIP-Plus von 0,5 Prozent.

Erfolgsverwöhnte Vorzeigebranchen der hiesigen Wirtschaft zeigen derzeit Schwäche: So rechnen etwa die Autobauer für dieses Jahr mit einem Minus von einem Prozent im Neugeschäft. Und die Maschinenbauer erwarten einen Produktionsrückgang um zwei Prozent.

Börsenprofis pessimistisch

Angesichts solch trüber Aussichten blicken Börsenprofis so skeptisch auf die deutsche Konjunktur wie seit fast zehn Jahren nicht mehr. Das entsprechende Barometer der Investment-Beratungsfirma Sentix fiel im Juli auf den tiefsten Wert seit November 2009. "Die hohe Abhängigkeit vom Export und dem Absatzmarkt China wird zunehmend eine Bürde. Und der Zollstreit schwebt wie ein Damoklesschwert über den einstigen Musterknaben der Euro-Region", sagte Sentix-Geschäftsführer Patrick Hussy. Eine Rezession scheine "unausweichlich".

Commerzbank-Ökonom Ralph Solveen äußerte sich ebenfalls verhalten: "Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer. Die deutsche Wirtschaft dürfte nach dem sich immer stärker abzeichnenden Schrumpfen im zweiten Quartal im dritten Quartal allenfalls leicht zulegen." Alexander Krüger vom Bankhaus Lampe stößt ins gleiche Horn: "Für das laufende Quartal sieht es nach einem fetten Produktionsminus aus. Die Industrie befindet sich zweifelsfrei in der Rezession."