Mitarbeiter der Wirtschaftskammer, die seit 2012 angefangen haben, erhalten eine ASVG-Pension ohne Zusatzleistung. Die Kammer hat aber noch zahlreiche Altlasten aus früheren Regelungen, zeigt ein Rechnungshofbericht. Dazu gehören hohe Zahlungen für einen Teil der Pensionisten und ein rechtlich zweifelhafter Sozialplan, über den Mitarbeiter 2001 für einen freiwilligen Abschied entschädigt wurden.
Schlecht kommt der Sozialplan des Jahres 2001 beim Rechnungshof weg. Das damalige Personalkonzept sah vor, über die Vereine "Experten für die Wirtschaft" (EFW) bzw. "Austrian Senior Expert Pool" (ASEP) Mitarbeitern, die freiwillig vorzeitig aus dem Unternehmen ausschieden, bis zum gesetzlichen Pensionsanspruch Geld zukommen zu lassen. Dabei ging es um Einmalzahlungen und Überbrückungszahlungen. Die Vereinskonstruktion an sich wird im Rechnungshofbericht nicht kritisiert. Der Rechnungshof kritisiert allerdings ganz grundsätzlich, dass die Arbeitgeber und Arbeitnehmer in der WKÖ nicht befugt waren, die damaligen Vereinbarungen zu treffen. Vielmehr hätten sie vom Kammertag beschlossen und vom Wirtschaftsminister genehmigt werden müssen.
Günstig - "aber nachteilig"
Wie viel Geld auf diesem Weg an 304 Begünstigte geflossen ist, lässt sich aus dem Rechnungshofbericht nicht nachvollziehen. "Der Aufwand für die Einmalzahlungen war in der Wirtschaftskammer Österreich nicht mehr erhebbar, die Überbrückungszahlungen beliefen sich alleine 2011-2017 auf knapp 16 Millionen Euro" schreibt der Rechnungshof. Die Wirtschaftskammer spricht in einer Aussendung von 30 Millionen Euro Kosten für den gesamten Sozialplan im Laufe von 17 Jahren. Heute würden nur mehr 20 ehemalige WKÖ Mitarbeiter den Sozialplan in Anspruch nehmen, Ende 2022 laufe er aus, hebt die WKÖ hervor.
Die Abmachungen seien sehr günstig für die Mitarbeiter aber nachteilig für die Wirtschaftskammer gewesen, kritisiert der Rechnungshof. Denn für die Übergangszeit bis zum gesetzlichen Pensionsanspruch standen laufenden Zahlungen von 50 Prozent des letzten Bezugs, verschiedenen Einmalzahlungen sowie einer Entschädigung knapp über der Geringfügigkeitsgrenze nur eine Arbeitsleistung von 8 Stunden pro Monat gegenüber. Bei den anschließenden Pensionszahlungen habe das Modell außerdem kaum Einsparungen gebracht.
Lob für frühe Umstellung
Ausdrücklich lobt der Rechnungshof die Kammer dafür, dass sie bereits 1992 "und somit zu einem verglichen mit anderen Systemen frühen Zeitpunkt einen ersten Schritt zur Reform der Pensionen setzte". Zunächst wurde die Pension von 80 Prozent des Letztbezugs auf 70 Prozent gesenkt, ab 1. Jänner 1999 wurde ein beitragsorientiertes Pensionskassensystem eingeführt. Dieses lief allerdings nicht nach Plan.
Bei der Gründung dieses Pensionskassensystems zahlte die WKÖ 127,7 Millionen Euro für die Deckungserfordernisse ein. Allerdings stellte sich 2010 heraus, dass das Deckungserfordernis von der engagierten externen Firma falsch berechnet worden war, außerdem entwickelte sich die Verzinsung des Kapitals bei weitem nicht wie erwartet, nicht zuletzt wegen der Wirtschaftskrise von 2008, wie die WKÖ vermerkt. Auf Druck der Arbeitnehmer, die auch mit Klagen drohten, leistete die Kammer Nachzahlungen.
"Das entsprach 37,7 Prozent Mehrkosten"
"Die Zahlungen im Zusammenhang mit der Einführung der Pensionskasse beliefen sich bis 2017 auf 286,99 Millionen Euro aufgrund der Pensionskassen-Betriebsvereinbarung und auf rund 106,9 Millionen Euro an zusätzlichen Zahlungen. Das entsprach 37,7 Prozent Mehrkosten", heißt es im Rechnungshofbericht. In Summe kostete die Pensionskasse die Kammer also bisher 393,85 Millionen Euro. Weitere 85 Millionen Euro sind noch bis 2025 eingeplant. Obwohl sie als rein beitragsorientiertes Pensionskassensystem installiert war, stützte die Kammer die Pensionskasse und übernahm damit ein nicht vorgesehenes Risiko, vermerkt der Rechnungshof. 2014 übertrug die Kammer die betriebliche Pensionskasse auf eine überbetriebliche Pensionskasse.
Sehr teuer kommen der Wirtschaftskammer auch ihre Pensionisten. Die Kammer verweist zwar darauf, dass praktisch keine aktuellen Mitarbeiter mehr unter die alten, goldenen Pensionsbestimmungen aus dem Jahr 1946 fallen. Allerdings kamen auch 2017 noch 42,7 Prozent der Pensionisten (808 von 1.891 Pensionsbeziehern) in den Genuss dieser Bestimmungen (und Übergangsregelungen der ersten Reform), sie bezogen zusammen 50 Mio. Euro und damit 86 Prozent der Pensionsleistungen. Ihre Pension ist im Schnitt mehr als doppelt so hoch wie ein ASVG-Anspruch.
Kammer kein Hort der Frühpensionisten
Ändern kann die Kammer daran allerdings aus eigener Kraft nichts, wie auch der Rechnungshof einräumt, da die Kammer keinen Kollektivertrag hat, sondern Einzelverträge mit allen Mitarbeitern. Wenn die Begünstigten nicht freiwillig auf ihre Pensionsansprüche verzichten, braucht es eine Gesetzesänderung, um sie dazu zu bringen. Diese fordert der Rechnungshof auch ein. Die Kammer verweist auf den Gesetzgeber.
Trotz Vergünstigungen ist die Kammer aber kein Hort der Frühpensionisten: "Anerkennend hält der Rechnungshof fest", dass die männlichen WKÖ-Beschäftigten zwischen 2011 und 2017 im Schnitt erst mit 62,6 Jahren in den Ruhestand traten und damit etwa zwei Jahre später als ASVG-Pensionisten. Bei Frauen ist die Bilanz trotz eines Anstiegs nicht ganz so positiv.
694 eigenständige Körperschaften
Der Rechnungshof hat aus Anlass dieser Prüfung auch kritisiert, dass die Wirtschaftskammer aus 694 eigenständigen Körperschaften besteht - neben der Bundeskammer und den neun Landeskammern 684 Fachgruppen und Fachverbände. Einen konsolidierten Abschluss gebe es nicht, "eine gesamthafte, übersichtliche und transparente Darstellung der mit Pensionen zusammenhängenden Posten ... war nicht gegeben". Die Wirtschaftskammer hat zugesagt, der Empfehlung des Rechnungshofes zu folgen und eine Machbarkeitsstudie zu einem konsolidierten Rechnungsabschluss durchführen. Auch will sie "Vor- und Nachteile eines Kollektivvertrags in den Wirtschaftskammern analysieren".