Mit wie starken finanziellen Einbußen werden die österreichischen Bauern in der kommenden EU-Finanzierungsperiode rechnen müssen?
JOSEF MOOSBRUGGER: Ich kämpfe dafür, dass das Agrarbudget im bisherigen Volumen auch für die Zukunft sichergestellt ist. Wenn man die Leistungen der Bauern weiterhin will, muss man sie bezahlen, sonst wird es sie nicht geben. Man muss eine unmissverständliche Sprache pflegen, daher erwarte ich mir von der Bundesregierung Rückgrat in Brüssel.

Österreich drohen jedenfalls kräftige Kürzungen.
Was nicht von der EU geleistet wird, muss aus dem nationalen Budget ausgeglichen werden.

Was würde sonst passieren?
Die Land- und Forstwirtschaft liefert den Grundstock für Nachhaltigkeit. Wenn etwa Bergbauernbetriebe diese Zahlungen in Zukunft nicht mehr hätten, wird es keine jungen Bauern geben, die diese Betriebe weiterführen.

Sie sind zuversichtlich, dass Österreichs Bauern keine starken Einschnitte hinnehmen müssen?
Garantien kann man keine abgeben. Es gibt auch vom Bundeskanzler Signale, dass es dieses Volumen brauchen wird. Wir werden alles tun, ein akzeptables Ergebnis zustandezubringen.

Auch um den Preis, dass Nettozahler wie Österreich nach dem Brexit mehr in den EU-Topf einzahlen müssen als bisher?
Wenn man nicht mehr Geld nach Brüssel schicken will, muss das Geld eben aus dem Bundesbudget direkt in die Landwirtschaft fließen.

Um das Tierwohl tobt eine Debatte, Geflügelfabriken in der Ukraine liefern EU-subventioniert Billigfleisch nach Österreich und verdrängen heimische Angebote.
Es braucht zwei wesentliche Nachschärfungen aus Brüssel. Es liegt in der Verantwortung von Brüssel zu definieren, wie und zu welchen Standards Betriebe errichtet werden. Und das ukrainische Geflügelfleisch ist das klassische Beispiel, dass eine klare Herkunftsdeklaration notwendig ist.

Nicht nur für Rohstoffe, sondern auf für verarbeitete Produkte?
Ja, es ist doch absurd, dass Geflügelfleisch irgendwo billigst produziert wird und dann auf dem Markt landet, und der Konsument glaubt, es kommt aus der Region. Der Handel begünstigt, dass solche Angebote Platz in den Regalen finden.

Wie kann man dem Einhalt gebieten?
Wir brauchen eine klare Herkunftskennzeichnung. Wir wollen noch in diesem Jahr eine rechtliche Grundlage für mit Milch, Fleisch und Eier verarbeitete Waren: Die Herkunft der Rohwaren muss klar gekennzeichnet sein! Bei einem Frischei gibt es eine definierte Herkunftsdeklaration, sobald aber das Eis flüssig ist, wird es neutralisiert, sobald Fleisch in Wurstware verarbeitet wird, wissen Sie nicht, woher der Rohstoff kommt – das ist aus meiner Sicht ein Betrug.

Man muss bei keiner Tierschutz-NGO sein, um auch in Österreich viel Verbesserungspotenzial für das Tierwohl zu orten.
Da hat sich in den letzten Jahren viel getan, in Österreich ist die Tierhaltung auf hohem Niveau. Was nicht funktioniert, ist, klare Vorstellungen zum Tierwohl in Österreich zu haben, um dann am nächsten Tag das gleiche Produkt Fleisch zu einem niedrigeren Standard und billigen Preis zu importieren. Das ist klassische Wettbewerbsverzerrung im Regal. Da vernichten wir Möglichkeiten und schädigen die österreichische Landwirtschaft.

Die Fleischimporte sollen österreichischen Standards entsprechen müssen?
Wir müssen die Wettbewerbsverzerrung am Markt beenden. So wie es derzeit funktioniert, ist das nicht zukunftsfähig. Wir importieren Billigstprodukte wie das ukrainische Geflügelfleisch, haben aber andere Vorstellungen, wie in Österreich Geflügel gehalten werden muss. Das hält niemand aus.

Wie sehr besorgt Sie das Klima, schon im April wurde in manchen Regionen Dürrealarm gegeben.
Mich besorgt die Klimaveränderung ordentlich, ohne es zu überdramatisieren. Je schneller wir handeln, umso günstiger wird es für uns. Wir brauchen auch hier mehr Kostenwahrheit am Markt: Produkte werden durch die Gegend gekarrt, ohne dass eine Kostenwahrheit vorhanden ist.

Die Bodenversiegelung wird zunehmend zur Belastung für die Landwirtschaft.
Wir versiegeln zu viel Fläche, da kommt zu viel Wasser auf kurze Zeit zusammen. Wir sind zu rasant im Bodenverbrauch unterwegs.

Was muss geschehen, um die soziale Lage der Bauern zu verbessern?
Wir brauchen Entlastungen im Sozialversicherungs- und Steuerbereich. Es ist ja ein Paket in Entstehung. Die Bauern müssen im selben Ausmaß wie andere Berufsgruppen entlastet werden. Es muss aber auch der Wert der Lebensmittel weiterentwickelt werden. Wir haben die gleichen Preise wie vor 20 Jahren – das hält kein Berufsstand aus, das fordert die Landwirtschaft ganz enorm. Das ist kein Zukunftsmodell.

Sie plädieren für steigende Preise für Konsumenten?
Da wird notwendig sein. Das was jetzt passiert, ist ein Raubbau in verschiedenen Regionen Europas an der Natur. Es kann nicht sein, dass Lebensmittel wie Milch oder Fleisch ständig günstiger werden. Wir müssen den Wert der Lebensmittel erkennen, sonst werden Lebensmittel nur mehr dort produziert, wo wir es nicht wollen.

Also nicht regional vor Ort.
Nein. Und das ist auch eine Sicherheitsfrage. Man kann nicht immer davon ausgehen, dass das Regal von vornherein voll ist, vor allem wenn man an Dürren und andere Wetterkapriolen denkt. Die beste Sicherheit ist gegeben, wenn ich die Produktion in der Region habe.

Was wäre der angemessene Preis für einen Liter Milch? 30, 35 Cent sind zu wenig, oder?
Das hängt von der Region und den Produktionskosten ab. In Extremlagen muss sich der Preis um 25 Prozent nach oben entwickeln, damit ich von einer wirtschaftlichen Grundlage reden kann.