Die Auswirkung auf das reale Bruttoinlandsprodukt (BIP) bezifferte Wirtschaftskammerpräsident Harald Mahrer mit "0,1 bis maximal 0,2 Prozent". "Der wirtschaftliche Schaden für das Vereinigte Königreich ist unvergleichbar größer", sagte er am Donnerstag in einem Pressegespräch.

"Die Brexit-Uhr tickt und die Betriebe starten schon mit ihren Vorbereitungen", berichtete der WKÖ-Chef mit Blick auf das EU-Austrittsdatum im März 2019. Gerade aus wirtschaftlicher Sicht seien "Rechtssicherheit und Planbarkeit" wichtige Faktoren. Aktuell herrscht diesbezüglich aber noch völlige Unklarheit.

Außenhandelsvolumen von rund 6,4 Milliarden Euro

Großbritannien und Nordirland sind laut Wirtschaftskammer Österreichs neuntwichtigster Exportmarkt. 2017 belief sich das bilaterale Außenhandelsvolumen auf rund 6,4 Milliarden Euro. Heimische Exporteure belieferten das Vereinigte Königreich mit Waren im Wert von 3,9 Mrd. Euro - das waren 2,8 Prozent aller österreichischen Ausfuhren. Die Importe aus Großbritannien machten rund 2,5 Mrd. Euro bzw. 1,7 Prozent aller Wareneinfuhren aus. Folglich erzielte Österreich im bilateralen Handel einen Überschuss in Höhe von 1,5 Mrd. Euro. Unter den Zielländern für heimische Dienstleistungsexporte rangiert Großbritannien auf Platz fünf.

Die Handelsverflechtung der Briten mit der EU hingegen ist laut Mahrer "massiv". Im abgelaufenen Jahr seien 47,7 Prozent aller britischen Exporte in Richtung EU gegangen, so die Wirtschaftskammer unter Berufung auf Eurostat-Daten. Das Ausfuhrvolumen belief sich dabei auf 186,4 Mrd. Euro. Gleichzeitig bezog Großbritannien aus der EU Waren im Wert von 295,4 Mrd. Euro - das waren 51,9 Prozent aller britischen Einfuhren. Die Insel ist stark auf Importe angewiesen und bilanzierte 2017 im Warenaustausch mit der EU mit einem Außenhandelsdefizit von 109 Mrd. Euro.

"Mit sehr großem administrativem Aufwand verbunden"

Aus EU-Sicht ist die Außenhandelsverflechtung mit den Briten naturgemäß wesentlich geringer: Nur 6,6 Prozent der EU-Exporte waren 2017 für das Vereinigte Königreich bestimmt und nur 4,3 Prozent der Importe aller EU-Länder stammten aus Großbritannien (und Nordirland).

Unabhängig davon, ob es zu einem harten, also ungeregelten, Brexit ("No Deal") oder zu einem Vertragskompromiss mit der EU ("Deal") komme, sei der Austritt auch für die österreichischen Unternehmen "mit sehr großem administrativem Aufwand" verbunden. "Wir werden mit 340.000 Zollanmeldungen rechnen, wir gehen von 25 Mio. Euro zusätzlichem Zoll aus", so Mahrer. Es sei notwendig, "sich rechtzeitig mit den Zollszenarien auseinanderzusetzen". Auch die Konformität mit EU-Umwelt- und Sicherheitsstandards sei zu prüfen. "Eventuell braucht man neue Zertifizierungen." Weiters erhebe sich "die große Frage der Besteuerung". Es könne sein, dass die Abzugsfähigkeit nicht mehr gegeben sei und geldwerte Transaktionen entstünden. Sollten keine steuerbefreiten Lieferungen mehr möglich sein, bedeute dies ebenfalls einen verwaltungstechnischen Mehraufwand. Auch Aufenthalts- und Arbeitsbewilligungen würden zusätzliche Arbeit bedeuten.

250 österreichische Betriebe haben Niederlassungen

Derzeit sind laut Mahrer 250 österreichische Betriebe mit Niederlassungen im Vereinigten Königreich vertreten. Sie beschäftigen rund 40.000 Mitarbeiter. Aktuell arbeiten laut EU-Minister Gernot Blümel (ÖVP) 25.000 Österreicher in Großbritannien. Parallel dazu seien in Österreich 11.000 Arbeitnehmer für britische Firmen tätig.

Trotz aller Bedenken und Herausforderungen, die nun anstehen, beharrt auch Mahrer auf der offiziellen EU-Linie: "Es kann kein Rosinenpicken der Briten geben - sie haben sich freiwillig entschieden auszutreten." Für Österreich sei der Schaden "sehr überschaubar". Der Schaden für andere europäische Länder "wird ungleich größer sein". "Es ist ein nicht unbedeutender Markt", räumte er ein. Der WKÖ-Chef verwies auf ein Zitat des Brexit-Chefverhandlers Michel Barnier: "Hope for the best, prepare for the worst." ("Auf das Beste hoffen, auf das Schlimmste vorbereiten.", Anm.)