Jede Kleinigkeit ist wichtig, wie bei einem Mosaik“, streicht Bernhard Paul über das Programmheft, das sich anfühlt wie ein überdimensionales Glanzbild aus Zeiten, in denen es noch Poesiealben gab. „Natürlich kann ich das um die Hälfte des Geldes auch in Rumänien drucken lassen, aber dann ist es auch nur um die Hälfte so schön.“

Der Mann, der 1976 nicht mehr Art-Director beim „profil“, sondern lieber Clown im eigenen Zirkus sein wollte, ist Perfektionist. Bernhard Paul (71) überlässt nichts dem Zufall: von der in Deutschland gedruckten „Jahresillustrierten“ bis zu modernsten Dyson-Armaturen in geheizten Toilettenwagen. Das Gesamtkunstwerk Roncalli ist für Paul selbst seit 41 Jahren seine Traumfabrik – und ein durchkomponiertes Unternehmen.

220 Stamm-Mitarbeiter, 25 Millionen Euro Umsatz

Unternehmer sein mag er maximal im Sinne, dass er dauernd etwas unternimmt, immer auf der Suche nach Neuem. Der Mann mit den vielen Rollen – Clown Zippo, Dramaturg, Talententwickler und Betriebspsychologe sind nur einige davon – sieht sich am wenigsten als Zahlen-Zampano. Obwohl er ein sehr erfolgreicher Unternehmer ist und dafür im September den Deutschen Gründerpreis bekommen hat. „Ich bin halt eher Rock ’n’ Roller als Beamter“, wehrt er ab, um dann doch zu erzählen, auf wie vielen Festen das Unternehmen Roncalli inzwischen mit Bravour jongliert. Bereits auf vier TUI-Kreuzfahrtschiffen entführen seine Artisten Menschen für Stunden in die Zirkuswelt. In Düsseldorf gibt es ein fest stationiertes Varieté-Theater und in Hamburg einen nostalgischen Roncalli-Weihnachtsmarkt. Und feiert die Wiener Gastro-Institution „Zum Schwarzen Kameel“ 400-jähriges Jubiläum, dann ist es die Event-Tochter, die sich dazu etwas einfallen lässt. 220 Stamm-Mitarbeiter – Firmensitz ist Köln – spielten zuletzt 25 Millionen Euro Umsatz ein. „Wir sind ein unsubventionierter Kulturbetrieb. Und ich habe die Verantwortung, dass ich diese Leute, die ich gerufen habe, auch am Leben erhalte“, ist Paul durchaus auch Chef.

Sein Erfolgsgeheimnis? „Alles, was man mit Liebe macht, wird auch geliebt.“ Der einstige Fehlstart mit André Heller samt Konkurs hätte ihn entmutigen können. Schaffenskrisen, Zweifel am Traum hatte er nie. „Geldsorgen damals schon. Da muss man doppelt so kreativ sein, weil man zugleich die Idee haben muss, wie man zu Geld kommt“, erzählt er. „Heute ist nichts mehr ein Problem für mich. Es wird immer einfacher, weil man einen Ruf hat.“

Scouts sind weltweit unterwegs

Heute stemmt Roncalli Großinvestitionen in Digitaltechnik. Pferde galoppieren nur noch virtuell. Keine Tiere und bald auch kein Plastik mehr, das sind die aktuellen Innovationen. Zirkus immer wieder neu erfinden sei die wichtigste Aufgabe. Seine drei Kinder leben seit jeher im Roncalli. „Ich ziehe mich nur hie und da unmerklich zurück. Mehr nicht. Ich bin prädestiniert, auf der Bühne zu sterben“, so Paul. Die Arbeit sei allerdings hart: „Ich hätte gern Mindesturlaub oder ein freies Wochenende.“

Für das „Kerngeschäft“ Lachen und Staunen sind Scouts weltweit unterwegs, um Hidden Champions zu entdecken. Youtube oder Shows wie im Pariser Cabaret Crazy Horse sind auch gut für Star-Nachwuchs. Beim Entwickeln der Nummern gehe es dann fast nur darum, Schwaches wegzulassen. „Bis ich selbst staune“, versucht Paul keine Wissenschaft aus seinem Profigespür für Überraschungen zu machen.

An seiner zweiten Leidenschaft, dem Sammeln schöner alter Dinge – Einkaufsläden, alte Karussells, Verkaufswagen und Tausende Kostüme –, lässt er in zwei Jahren alle teilhaben. In Köln entsteht das Erlebnis-Museum „Boulevard of Broken Dreams“. Dort „alte Zeiten“ lebendig werden zu lassen, könnte Pauls nächster Kassenschlager werden. Claudia Haase