Nicht nur der Arbeitsmarkt erholt sich in diesem Jahr, auch das Angebot an Lehrstellen- und Praktikumsplätzen steigt. Auf der Plattform karriere.at waren Ende August um 32 Prozent mehr Lehrstellen ausgeschrieben als im Vorjahr. Im Vergleich zum Jahr 2019 vor der Corona-Krise beträgt der Anstieg sogar 46 Prozent.

Auch in Kärnten gibt es mehr offene Lehrstellen. 778 waren es laut AMS per Ende August: Das sind um 265 oder fast 52 Prozent mehr im Vorjahr. Gleichzeitig sinkt die Zahl der Lehrstellensuchenden: Derzeit sind es in Kärnten 537 und damit um knapp 20 Prozent weniger als im Vorjahr um diese Zeit. Vielleicht, weil sie schon einen Lehrplatz haben? Von derzeit 6700 Lehrlingen in Kärnten sind 2301 Lehrlinge in Kärnten sind derzeit im ersten Lehrjahr. "Diese Zahl ist sogar höher als in den letzten Jahren", sagt Bonno Tosoni, Leiter der Lehrlingsstelle in der Kärntner Wirtschaftskammer. Die meisten von ihnen, 1072, lernen im Gewerbe und Handwerk, 458 im Handel, 219 in der Industrie, 192 im Tourismus.

WK-Lehrlingsstellen-Leiter Benno Tosoni
WK-Lehrlingsstellen-Leiter Benno Tosoni © Kleine Zeitung / Weichselbraun

Zum Vergleich: Im Vor-Corona-Jahr 2019 waren es 2280 Lehranfänger, vor fünf Jahren 2016 waren es 2191.

Aber die Lehrstellenandrangziffer - sie zeigt, wie viele Lehrlinge es pro offener Lehrstelle gibt - offenbart, dass es zu wenig Bewerber gibt: Die Ziffer beträgt in Kärnten derzeit 0,7 Prozent. Heißt: Auf 100 offene Lehrstellen kommen nur 70 Lehrstellensuchende. Begrenzt man auf die "sofort verfügbaren Lehrstellen" sind es gar nur 20 Lehrstellensuchende auf 100 Stellen.

Bei Hofer in Weißenbach starten gerade neun Jugendliche ihre Lehre zur Einzelhandelskauffrau bzw. zum -kaufmann
Bei Hofer in Weißenbach starten gerade neun Jugendliche ihre Lehre zur Einzelhandelskauffrau bzw. zum -kaufmann © Hofer/KK

Besonders groß ist der Überhang an Lehrstellen gegenüber den Suchenden in Gastronomie und Hotellerie. So suchen im Fremdenverkehr in Kärnten derzeit (nur) 27 junge Menschen eine Lehrstelle, es sind um 44 Prozent weniger als vor einem Jahr. Verfügbar bzw. vakant sind in dieser Branche jedoch 254 Stellen.

In den Gesundheitsberufen sehen sich in Kärnten derzeit gar nur 19 Bewerber um eine Lehrstelle um.

Der 8-Stunden-Tag ist "out"

Was sind die Gründe dafür, dass die Zahl der potenziellen Lehrlinge den Bedarf der Unternehmen nicht decken kann?

Einerseits haben sich die Vorstellungen der jungen Menschen über eine für sie ideale Arbeitswelt offenbar geändert. Einer aktuellen Studie der Leitbetriebe Austria zufolge geht es ihnen nicht darum, weniger zu "hackeln", aber sie wollen flexible Arbeitszeiten und -orte, lehnen einen klassischen Acht-Stunden-Tag zunehmend ab.

Bemerkenswert ist ihre Einschätzung der gesellschaftlichen Meinung zum Ansehen der Lehre: Nur 37 Prozent meinen, dass die Gesellschaft die Lehre hoch ansieht. Und diese Ansichten haben sich während der Pandemie noch verstärkt.

Weniger Schulabbrecher

Laut Tosoni ermutet auch, dass die Corona-bedingten großzügigeren Regelungen im Zusammenhang mit dem Aufsteigen in die nächste Schulklasse dafür verantwortlich sind. "Es gibt weniger Schulabbrecher, die in eine Lehre wechseln", so Tosoni. Dazu kommen die (Corona-)Einschränkungen bei der Berufsorientierung, wie etwa das Entfallen der Schnupperlehre. Und natürlich die demografische Entwicklung.